Alice Salomon-Hochschule : Gomringer diskutiert erstmals öffentlich mit Schulvertretern

Eugen Gomringer, Bettina Völter, Frau Roth. Frau Roth, Bettina Völter und Eugen Gomringer ist nicht die Wortfolge eines neuen Werkes der Konkreten Poesie, sondern die Besetzungsliste einer Diskussion vom Montagabend im Max-Liebermann-Haus am Pariser Platz, in der der 91-jährige Dichter Eugen Gomringer erstmals öffentlich mit Vertreterinnen der Hochschule sprach, die sein Gedicht „avenidas“ aus dem Jahre 1953 von der Südfassade des Hauses entfernen wird.

Frau Roth hat keinen Vornamen, weil die Vertreterin des Astas der Alice Salomon-Hochschule (ASH) ein Pseudonym gewählt hat. Zu viele Hassmails und öffentliche Anfeindungen haben sie dazu bewogen, ihre Identität zu verbergen, sie bitte um Verständnis.

Neue Argumente waren in dieser seit bald zwei Jahren bisweilen quälenden und verbittert geführten Debatte nicht zu hören. Und doch war es sehr bewegend, Eugen Gomringer über die Bedeutung seines Werks sprechen zu hören, das als Schlüsselwerk der von ihm entwickelten Konkreten Poesie gilt. Er sprach vom Können und Charme des Gedichts, dem semiotischen Zeichen Y, das gewissermaßen den Anstoß gegeben hat zu einem hermeneutischen Konflikt, in dem es um vieles, aber vermutlich zu allerletzt um Kunst geht.

Die Medien sind schuld

„Was kann, was darf Kunst?“ hatte die Stiftung Brandenburger Tor scheinbar neutral fragen wollen und dabei doch übersehen, dass sie damit bereits eine kunstfeindliche Komplizenschaft eingegangen ist. Eugen Gomringer war scharfsinnig genug, um gleich zu Beginn festzustellen, dass die Frage bereits einen Legitimationsdruck auf die Kunst eröffne. Ihn indes bewege vor allem die Frage, was in den vergangenen fünf Jahren geschehen sei, die schließlich zu dem Beschluss geführt haben, das Gedicht entfernen zu lassen.

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Die Vertreterinnen der Hochschule verschanzen sich hinter einem nachträglich konstruierten demokratischen Verfahren, das nun eine Art Verteilungsgerechtigkeit unter künftig zu wählenden Gedichten herstellen soll. Man habe nichts gegen Herrn Gomringer, von Zensur könne keine Rede sein. Die Debatte stelle einen Bildungsprozess dar, der schließlich zu einem guten Ergebnis geführt habe. Dem widersprach die im Publikum anwesende Ehefrau Eugen Gomringers vehement: „Sie wissen gar nicht, was Sie für ein Feuer entfacht haben.“ Frau Roth rang sich eine verdruckste Entschuldigung ab, es tue ihr leid, was auch die Familie Gomringer womöglich habe durchmachen müssen. Die Opferrolle wollte sie aber lieber weiter für sich beanspruchen. Die Medien seien schuld, alles falsch dargestellt, nicht richtig zitiert. Der selbstgerechte Fassadenkampf ist wohl noch nicht beendet.