Washington - Sie gehörte zu den heimlichen Stars bei der Amtseinführung von Präsident Joe Biden. Die 22 Jahre alte Amanda Gorman trug während der Zeremonie ihr selbst geschriebenes Gedicht „The Hill We Climb“ (auf Deutsch etwa: Der Hügel, den wir erklimmen) vor. Es handelt von den schweren Zeiten, die die USA durchgestanden hätten und noch durchstehen müssten. Das Gedicht erreichte nicht nur den frisch vereidigten Joe Biden, es sorgte vor allem auch in den sozialen Netzwerken für Furore. So gratulierte etwa US-Talk-Legende Oprah Winfrey der 22-Jährigen via Twitter.
I have never been prouder to see another young woman rise! Brava Brava, @TheAmandaGorman! Maya Angelou is cheering—and so am I. pic.twitter.com/I5HLE0qbPs
— Oprah Winfrey (@Oprah) January 20, 2021
Amanda Gorman. Hierzulande werden den Namen der jungen Dichterin die wenigsten gekannt haben. Das hat sich nun über Nacht geändert, denn die 22-Jährige hat bei der Amtseinführung des neuen amerikanischen Präsidenten Joe Biden ein Gedicht vorgetragen. Diese Tradition des inauguration poem hat John F. Kennedy 1961 begründet, vor Biden gab es nur zwei weitere Präsidenten, die sie fortgeführt haben: Bill Clinton und Barack Obama.
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Amanda Gorman ist in Los Angeles aufgewachsen, als Kind einer alleinerziehenden Mutter, einer Lehrerin. Mit 16 erhielt sie den ersten Lyrikpreis, ein paar Jahre später – da studierte sie schon Soziologie in Harvard – wurde sie nationaler Youth Poet Laureate. Sie hat ein Buch veröffentlicht.
Die Inauguration ist eine Zeremonie von hoher Symbolik, ein weihevoller Akt. Nichts ist zufällig. Und Amanda Gorman war eine kluge Wahl. Sie ist nicht nur unglaublich jung, sie ist auch die Enkelin einer Frau, die aufgrund ihrer Hautfarbe nicht wählen durfte. Dessen ist sie sich bewusst, sie scheint es als Auftrag zu verstehen. Mit ihrer Lyrik nimmt sie auf die Zustände in ihrem Land Bezug. Ihr Gedicht „In This Place“ etwa verurteilt die Ausschreitungen von Neonazis in Charlottesville im Jahr 2017.
Ihr Inaugurationsgedicht trägt den Titel „The hills we climb“. Amanda Gorman hatte schon die Hälfte geschrieben, als Trump-Anhänger das Kapitol stürmten, sie reagierte darauf. Die New York Times druckte die Zeilen: Auch wenn die Demokratie zeitweise behindert werden könne, könne sie niemals grundsätzlich scheitern, schreibt Amanda Gorman. Sie sagt: „Ich möchte mit meinen Worten einen Weg aufzeichnen, durch den unser Land doch noch zueinanderfinden, doch noch heilen kann – ohne dabei harte Wahrheiten auszublenden.“
Amanda Gorman trat neben Lady Gaga und Jennifer Lopez auf, die an ein Millionenpublikum gewöhnt sind. Aber der Mut, den sie für ihren Auftritt brauchte, ist noch viel größer, als man vermuten würde. Sie hat einen Sprachfehler, hat lange vor allem mit dem Buchstaben R gekämpft. Ihre selbstbewusste Ankündigung, sie werde 2036 für das Präsidentenamt kandidieren, ist möglicherweise ernst zu nehmen.