„Anne Will“: Nach dem Brexit darf es kein „Hingewurschtel“ geben

Die Umfragen waren bekannt – und das Ergebnis dennoch ein Schock: „Die Briten sind raus“, fasst es Anne Will in ihrer trotz Sommerpause einberufenen Diskussionsrunde am Sonntagabend zusammen. „Oder ist nach dem Referendum schon wieder vor dem Referendum?“ So eindeutig scheint das Ergebnis der Abstimmung vom Donnerstag nämlich plötzlich nicht mehr: Es werden Stimmen laut, Schottland werde nachverhandeln, manche Briten würden lieber nochmal abstimmen wollen – und ganz offiziell beantragt hat die Regierung Großbritanniens den Austritt auch noch nicht.

Anne Wills Gäste werden sich jedenfalls nicht wirklich einig, wie das Ganze den nun von statten gehen soll. Anna Firth von den Tories, einzige Brexit-Befürworterin der Runde, versteht die ganze Aufregung nicht: Ein Schock sei das Ergebnis keinesfalls, die Briten wünschten eben ein „demokratischeres System“, mit Ressentiments gegen Migranten habe all das nichts zu tun. Den Austritt aus der EU werde Großbritannien schlicht durch das im Artikel 50 des EU-Vertrages auslösen, aber selbstverständlich erst dann wenn ein entsprechender Rahmen vorliege. Im Oktober habe man einen neuen Premier, der werde sich darum dann kümmern. Ein ordnungsgemäßer Ausstieg sei schließlich im Interesse Großbritanniens und der EU, das werde jetzt etwas dauert, „das ist aber gar nicht so schlimm.“

Für Rolf-Dieter Krause, Leiter des ARD-Studios Brüssel, ist all das nicht so selbstverständlich: Das Verfahren nach Artikel 50 sei keineswegs das Ende, sondern der Anfang des Prozederes, sagt er. „Es wird niemand mit ihnen verhandeln, bis sie nicht den Artikel 50 ziehen“, warnt er Firth. Ein „Hingewurschtel“ dürfe es jetzt nicht geben. In Berlin sehe man das aber wohl nicht ganz so deutlich, kritisiert der Journalist Äußerungen der Kanzlerin. Ob der Brexit jetzt überhaupt vollzogen wird? Sein Verstand sage ja, aber er werde das Gefühl nicht los, dass es auch anders kommen könne, meint Krause.

Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) fordert am Sonntag jedenfalls, die Briten müssten sich nun zügig auf Artikel 50 berufen. Monate zu warten sei „eigentlich nicht hinnehmbar“. Ganz überzeugt davon, dass der Austritt auch tatsächlich kommt, ist sie offenbar nicht: So spricht die stellvertretende CDU-Vorsitzendes zu Beginn der Diskussion noch mit Bedacht vom „Brexit, wenn er denn stattfindet“.

Später sagt sie dann, sie glaube, die Briten würden tatsächlich austreten – auch wenn ihr Herz blute. Über Firths Vorstellungen vom notwendigen Vorgehen ist sie jedenfalls „einigermaßen erschüttert“. Denn auch von der Leyen ist der Überzeugung, dass eine Berufung auf Artikel 50, den Anfang der Verhandlungen markiere.