Berlin-Für diesen Sieg gab es keinen Pokal, die sechs Tore tauchen in keiner Statistik auf und wurden nicht mal im Fernsehen übertragen. Dennoch war das Auswärtsspiel von Borussia Mönchengladbach bei der israelischen Nationalmannschaft einer ihrer wichtigsten Auftritte. Die ARD-Doku „Geheimmission Tel Aviv“ nennt es sogar einen „Wendepunkt in den deutsch-israelischen Beziehungen“ und führt 50 Jahre später gute Gründe für diese Einschätzung an.

Dabei kam die Initiative gar nicht „von oben“, sondern von den beiden befreundeten Trainern, die Ende der 60er-Jahre im Fußball ein Mittel sahen, etwas Normalität in die schwierigen Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Israel zu bringen.
Meistgelesene Artikel
Attentate erschütterten das Land
Hennes Weisweiler hatte als Jugendlicher miterlebt, wie eine befreundete jüdische Familie vertrieben wurde und fragte sich später immer wieder, ob er feige gewesen sei. Der nach Israel geflohene Eddy Shaffer hatte sich in den 50er-Jahren an der Kölner Sporthochschule von Weisweiler zum Trainer ausbilden lassen – obwohl seine Familie 1941 von den Deutschen ermordet worden war.
Doch die Umsetzung des verabredeten Freundschaftsspiels stand im Februar 1970 auf der Kippe. Eine Serie von Attentaten palästinensischer Extremisten gegen Flugzeuge und jüdische Einrichtungen in Deutschland erschütterte das Land.
Hans-Jochen Vogel und Charlotte Knobloch, beide damals in München aktiv, erinnern sich lebhaft an den Brandanschlag auf das Altenheim der Israelitischen Kultusgemeinde, bei dem sieben Menschen starben. Die Spieler um Günter Netzer hatten große Bedenken, ein Flugzeug gen Israel zu besteigen. Bundeskanzler Willy Brandt setzte durch, dass das Team mit einer Bundeswehrmaschine auf einer geheimen Route flog.
„Deutsche Offensive“
Der Autor Dietrich Duppel versammelt viele wichtige Augenzeugen vor der Kamera. Er führt die beiden Trainer-Witwen zusammen und spricht mit dem israelischen Kapitän Mordechai Spiegler sowie dem Gladbacher Offensiv-Helden Günter Netzer, Ulrik de Fevre und Herbert Laumen. Letzterer schoss nicht nur zwei Tore, sondern drehte mit seiner Super-8-Kamera die einzigen Filmaufnahmen. Alle vier Spieler erzählen mit leuchtenden Augen nicht nur vom 6:0 der damaligen „Fohlen“-Elf, sondern davon, wie die über 20 000 Israelis den modernen Angriffsfußball der jungen Deutschen feierten.
Noch 25 Jahre zuvor hätten Begriffe wie „deutsche Offensive“ hier ganz anders geklungen. Ein Sportsmann wie Hennes Weisweiler war nicht nur fußballtaktisch seiner Zeit voraus. Von der Courage und dem politischen Bewusstsein, die er damals bewies, waren deutsche Nationalmannschaftstrainer weit entfernt. Willy Brandt aber nutzte den Steilpass: Er reiste 1973 als erster deutscher Kanzler nach Israel.
Geheimmission Tel Aviv: Wie Fußball die Geschichte veränderte, 17. 2., 23.30 Uhr, ARD