„Tatort“ aus München: Wenn Räume mehr als Menschen sprechen
Der letzte „Tatort“ vor der Sommerpause handelt von einen Mord im familiären Umfeld. Ein Krimi, der noch lange nachklingt.
München-Der Titel ist schon 200 Jahre alt. „Lass den Mond am Himmel stehn“ ist eine Zeile aus dem christlichen Einschlaflied „Müde bin ich, geh zur Ruh“, das eine heile, stille Welt beschwört, in der Gott das Unrecht vergibt und die nassen Augen schließt.

Diese Hoffnung kann sich in einem „Tatort“ nicht erfüllen, denn für die Angehörigen der Opfer ist die Welt nie mehr so, wie sie mal war. In einer Nacht ist der 13-jährige Emil verschwunden. Die Mutter (Laura Tonke) und deren neuer Mann (Lenn Kudrjawizki) bemerken erst am Morgen, dass er nicht, wie verabredet, am Vorabend vom Computerspielen bei einem Freund nach Hause gekommen ist. Während die Mutter noch erstaunlich gefasst den Kumpel und dessen Vater (Hans Löw) aufsucht, sind schon zwei Paddler auf der Isar zu sehen und die Kommissare Leitmayr und Batic (Udo Wachtveitl und Miroslav Nemec) auf dem Weg zur Mutter.
Nicht nur hier beweisen die Macher, wie man mit einer klugen Montage, die nur minimal vom linearen Nacheinander abweicht, viele Routine-Szenen und Standard-Dialoge überflüssig machen kann. Die Gestalter dieses ungewöhnlichen Münchener „Tatorts“ stammen allesamt aus Österreich. Regisseur Christopher Schier und Kameramann Thomas Kiennast hatten schon zwei „Tatorte“ in Wien in Szene gesetzt.
In diesem Drama wird überhaupt nur das Nötigste geredet. Der Satz „Ich weiß gar nicht, was ich dir sagen soll“, mit dem die Mutter des Kumpels (Victoria Mayer) ihre Hilflosigkeit gegenüber der Mutter Emils umreißt, ist typisch für die Sprachlosigkeit. Die Ermittler gehen zunächst einer bizarren Form der wortlosen Kommunikation nach: Das Handy des toten Jungen war zuletzt eingeschaltet auf einem Parkplatz, auf dem sich Leute zum anonymen Sex im Wald treffen.
Doch bald konzentriert sich der Film auf die beiden befreundeten Familien. Das befreundete Paar ist mit Victoria Mayer und Hans Löw viel zu gut besetzt, um nur eine Nebenrolle zu spielen. Vor allem aber sprechen die Häuser: moderne, großzügig geschnittene Villen, die viel Platz bieten, um sich aus dem Weg zu gehen. Der Vater versinkt im Sound seiner selbst produzierten Lautsprechertürme, der Sohn kapselt sich hinter Kopfhörern ab, die Mutter rennt verbissen auf dem Laufband – mit Blick ins nahe Grüne.
Die Kamera fängt sowohl die noblen Details als auch die Leere der Räume ein – Eidechsen huschen wie Unheilsboten über den steinernen Boden. Die Kommissare agieren diesmal dezent bis kühl, wissend, dass sie der Mutter in deren Trauer ohnehin nicht beistehen können. Die großartige Laura Tonke ist das emotionale Zentrum dieser Tragödie, die immer bedrückender wird und die noch lange nachklingt. „Lass den Mond am Himmel stehn“ ist der letzte neue „Tatort“ vor der Sommerpause.
Tatort: Lass den Mond am Himmel stehn – So, 7.6., 20.15, ARD