Berlin-Zu sagen, dass die Morde in Hanau die Eröffnung der Berlinale am Donnerstagabend überschattet haben, wäre zu schwach. Die Erschütterung über die mutmaßlich fremdenfeindlichen Angriffe und die Entschlossenheit, daraus politische Konsequenzen zu ziehen, prägte die Veranstaltung und mehr noch: bildete ihr Herz. Ganz klar wurde die Tat im Zusammenhang mit dem Erstarken rechtsextremer Positionen in der Politik gesehen. „Niemals darf es eine wie auch immer geartete Zusammenarbeit mit diesen rassistischen und völkischen Kräften geben“, sagte Kulturstaatsministerin Monika Grütters in ihrer Rede eindringlich, woraufhin sich das gesamte Publikum im Berlinalepalast spontan von den Plätzen erhob – ein Moment, der noch bewegender war als die Schweigeminute für die Opfer, die es außerdem gab.

Die AfD will ein anderes Land, und in diesem Land will ich nicht leben.
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Sogar noch deutlicher wurde der Regierende Bürgermeister von Berlin Michael Müller, der seine Begrüßung mit den Worten schloss: „Die AfD will ein anderes Land, und in diesem Land will ich nicht leben.“ Natürlich waren alle auch bemüht, über das Kino zu sprechen, das die Menschen über alle Grenzen hinweg verbindet, und über das Berliner Filmfestival, das seit 70 Jahren auch die deutsche Geschichte spiegelt. Im Guten wie im Schlechten – ausdrücklich dankte Grütters der neuen Berlinale-Leitung Mariette Rissenbeek und Carlo Chatrian, aus den Enthüllungen über die Verstrickung des Berlinalegründers Alfred Bauer in das Nazisystem sofort Konsequenzen gezogen zu haben.
Filmglamourös war diese Gala, an der unter anderen Fatih Akin, Doris Dörrie, Benno Fürmann, Nina Hoss, Jurypräsident Jeremy Irons oder – als Darstellerin des nachfolgend gezeigten Eröffnungsfilms „My Salinger Year“ von Philippe Falardeau – Sigourney Weaver teilnahmen, passenderweise nicht. Wäre sie es ohne den Kontext des Terrors gewesen? Musik spielte, anders als im letzten Jahr das Palast-Orchester keine, das Leitungsteam muss zu einer Bühnenpräsenz auch noch, wie sagt man: finden? Und wer an die großen Roben und den strahlenden Witz der langjährigen Moderatorin Anke Engelke denkt, konnte den Schauspieler Samuel Finzi als neuen Moderator zunächst durchaus etwas spröde und angestrengt finden.

Zumindest solange er versuchte, den Engelke-Nimbus zugleich zu unterlaufen und zu übertrumpfen. Ein Sprachtalent ist aber zweifellos auch er, und als gebürtiger Bulgare brachte er gerade an diesem Abend eine biografische Authentizität mit, die auch die anfangs reservierten Mienen im Publikum zunehmend weicher werden ließen. „Wer weiß, welchem Talent wir gerade den Zugang verwehren“, sagte er unter Applaus. „Schotten wir uns nicht ab!“
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