Ausstellung im Kreuzberger Forum Factory: Kunst aus dem syrischen Krisengebiet

Berlin - Tanzende junge Syrer bilden Kreise, Reihen, Bögen. Es ist kein Männerfest, keine ausgelassene Schulabschlussfete, kein Junggesellenabschied. Dies hier ist eine Demonstration in Damaskus. Gleich wird die trotzige Freude vorbei sein. Das Militär rückt an.

Ziad Homsi sagt zu seiner Aufnahme – und zu vielen anderen, auch zu den Bildern von Kindern vor Wohnhaus-Trümmern und mit Blindgänger-Granaten, die sein Bruder Lens Young Homsi gemacht hat, die Kamera sei jetzt das einzige Mittel, um die Zeit anzuhalten und das Durchlebte einzufangen: Alltagsbilder aus Syrien. Das dortige Geschehen, Tags und Nachts, wurde nun zweidimensional zeitversetzt an Galeriewände nach Berlin.

Die Hoffnung stirbt zuletzt

Dass Kunst oft auf Kontraste aus ist, auf widersprüchliche Gedanken und Gefühle – und dass sie polarisiert, sind wir gewohnt. Seit Mittwoch gibt es in Kreuzberg eine Ausstellung, die einen durch Bilder hineinzieht in diese verstörende Gemengelage. Wir sehen Abend für Abend in den Nachrichten, was in Syrien passiert, wie Assad von seinen Bütteln die rebellischen Gegner und auch gleich das eigene Volk abschlachten lässt. Mal lassen uns die Meldungen und die Bilder hoffen, dann wieder schalten wir voller Entsetzen und Hilflosigkeit den Fernseher aus. Jeden Tag das Gleiche, ein endloses Elend. Und schon schleicht sich Gleichmut ein; Syrien ist weit weg, die Nachrichtenflut schleift ab.

Draußen, im Gras vor dem Forum Factory in der Besselstraße, sitzen junge syrische Künstler und trinken Limonade. Ein friedlicher Anblick, bedenkt man, dass die Entfernung zur Heimat diese jungen Leute, die aus ihrem Land geflüchtet sind, doch schier zur Verzweiflung bringen muss. Und so wollten, mussten sie etwas tun: Drinnen, in der Ausstellungshalle, tobt, per Bildkunst, die Revolution. Oder der Bürgerkrieg. Die einen sehen das dramatische Geschehen im zerrissenen Syrien so. Und die anderen so. Ahmed Ramadan, Exil-Syrer und Initiator dieser Schau von Malerei, Grafik, Film und Fotografie anderer Landsleute, die nach Berlin emigriert sind, stellt die These vom Bürgerkrieg infrage.

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Er tut das in einem expressiven Triptychon aus Tinte und Ölfarbe, in dem gute und böse Mächte gegeneinander anzukämpfen scheinen. Und er sagt: „Es kämpfen verschiedenste Gruppen gegen das Regime. Aber sie alle sind das Volk.“ Für ihn ist das, trotz aller Opfer, eine Revolution, kein Krieg der Syrer. Den Krieg führt die Diktatur. Sie tötet, zerstört, verbrennt. Ali Kaaf hat einem großen, kopfförmigen schwarzen Gebilde auf Papier dutzende Brandlöcher zugefügt, das Element Feuer zur Metapher, zum Code gemacht. Und eine Gruppe junger Grafiker pinnte an die Galeriewand farbstarke Plakate, mit denen sie seit letztem Jahr die Demonstrationen, den Aufruhr begleiten und in dem sie zu zivilem Ungehorsam und zum Beenden des Schweigens aufrufen.

Die Hoffnung stirbt zuletzt. Und so ist die Kunst aus den Salons von Damaskus auf die Straße gegangen, auf die Barrikaden und mitten hinein in die Demonstrationen, die Schüsse, die Militärgewalt. Die regimekritischen Künstler des Landes verstecken sich nicht mehr an neutralen, abgeschirmten Orten. Etliche mussten längst fliehen, andere sind soeben nach Berlin gekommen. Das Forum Factory, das Auswärtige Amt und das Facebook-Netzwerk Syrialog haben diese Ausstellung spontan zustande gebracht. Ein trotziger, frischer, spannender Akt gegen Gleichgültigkeit und Ohnmacht. Nein, Kunst ist nicht Waffe. Sie ist etwas Ästhetisches. Aber sie hat Seele und Verstand. Und so kann sie die Wahrheit sagen, aufklären, ergreifen, ermutigen. Das ist schon viel.

Forum Factory, Besselstr. 13 (U-Bhf Kochstr.). Bis 18. 8., tgl. 10–18 Uhr. Musikprogramm: www.kulturvertretung.de