Basteln mit Anke Becker: Die Kunst im Sack kaufen

Anke wer? Nein, das ist nicht die Neue vom Boris. Auch keine Tochter vom Jurek oder Nichte vom Jürgen oder Schwester von der Meret. Anke Becker ist Künstlerin. Sie ist eine von rund 13 000 in Berlin gemeldeten bildenden Künstler/innen (Quelle: Künstlersozialkasse). Ich habe die genaue Zahl mal abgefragt, weil ich das Geschimpfe über zu viel Konkurrenz um zu wenig Geld nicht mehr hören konnte. Aber es stimmt ja auch. Die meisten krebsen irgendwo am Existenzminimum herum und warten vergeblich auf ein gewisses Maß an Anerkennung oder gar den Durchbruch. Auf den Tag, an dem man sich einen Namen gemacht hat und es irgendwie von selbst läuft. Dabei wissen wir spätestens seit Goethe, dass Namen Schall und Rauch ist.

Anke Becker hat es mit einem ihrer Lieblingsprojekte symbolhaft auf den Punkt gebracht. „Anonyme Zeichner“ gibt es seit 2006. Damals hat sie einen leerstehenden Klamottenladen mit Kunst bespielt, einen Tag lang, je eine Zeichnung anonym ausstellender Kollegen und Kunstadepten. Erst nach dem Kauf wurde der Name sichtbar, und für manchen vielleicht die Frage beantwortet, ob das auch eine Investition in die Zukunft war. Denn schließlich kochte in diesem Jahr der Kunstmarkt mal wieder hoch.

Sale-Aktionen

Anke Becker konterte, indem sie die einzelnen Werke zum Spottpreis von je 100 Euro anbot. Dass man ihr den Laden nicht gleich leergekauft hat, nimmt sie heute professionell gelassen und erzählt von einer ähnlichen Aktion in Leipzig, wo man der Hochschule für Grafik und Buchkunst die Arbeiten aus den Händen gerissen habe, nach dem Gerücht, dass Professor Neo Rauch eine Skizze zur Verfügung gestellt habe.

Ansonsten sind ihr keine großen Namen zu entlocken. Wer genau sich hinter all den 600 Zeichnungen aus ca. 40 Ländern verbirgt, die nun auf Tournee nach Rom, Braunschweig und Rüsselsheim gegangen sind, bleibt ihr schönes Geheimnis. Das ist schließlich wesentlicher Bestandteil ihres Konzepts. Genauso wie der öffentliche Aufruf zur Teilnahme, der sich durch die sozialen Netzwerke im Frühsommer spann. 2000 Berufs- und Hobbykünstler gingen dem nach. Die Auswahl trifft Becker auch zum Selbstschutz nur auf der Grundlage des künstlerischen Ausdrucks.

Basteln mit Luftschlangen

Sie sagt, dass man schon eine Art von Dringlichkeit spüren müsse, egal ob das nun ein Kind oder ein Profi produziert habe. Wir sitzen auf einer lehnen-losen Holzbank mitten in der Ausstellung. Um uns herum dieses bunte Ensemble aus persönlichen Zeugnissen, die für Becker im Zusammenspiel wie eine Geschichte wirken. Eine Raumkollage, die sich als perfekte Bebilderung von Beuys’ Maxime herausstellt: Jeder ist ein Künstler. Stimmt das? Natürlich ist es obsolet eine Künstlerin danach zu fragen. Noch dazu so eine unerschrocken Humorvolle wie Anke Becker. Sie zuckt nicht zurück, als ich ihr zur Beantwortung ein paar Luftschlangen und Konfetti in die Hand drücke, um daraus eine Bastelei zu zaubern. Nur beschwert sie sich, dass das Format ein bisschen klein sei und der Kleber zu klecksig. Ein Prittstift wäre besser gewesen, das soll aber nicht daran hindern, mit schnellen, sicheren Handgriffen aus zwei Schlangen ein Raster zu weben.

Während sie ihre Finger in den Kleister tunkt, erinnern wir uns an die rappelvolle Vernissage. Ich gestehe ihr, dass es für mich ein Gefühl von Mauerblümchen sei, irgendwo selbst anonym zwischen den Blättern zu hängen, ohne gekauft worden zu sein. Schließlich hätten an „meiner“ Wand inzwischen etliche andere Zeichnungen einen Liebhaber gefunden. Darf ich das überhaupt preisgeben? Bevor ich es bereue, lacht Becker auf, dass sie das Gefühl nur allzu gut kenne. Sie selbst habe ja auch eine Arbeit von sich ausgestellt und noch nicht verkauft. Uff! All diese Fragen nach dem perfekten Strich, dem Zeitgeist, was funktioniert, Anklang findet oder nicht. Hätte ich eine andere Arbeit liefern sollen? Oder eben genau nicht? Immerhin haben wir noch Verkaufschancen in Rom, Braunschweig und Rüsselsheim. Und natürlich online!

Bilder von dieser und weiteren Bastel-Sessions mit prominenten Kulturschaffenden unter www.berliner-zeitung.de/basteln

Website zur Ausstellung von Anke Becker: www.anonyme-zeichner.de