„Bauhaus Imaginista“: Bauhaus-Ausstellung im Haus der Kulturen

Das Bauhaus-Manifest von 1919 mit dem expressionistisch zerklüfteten Bild einer gotischen Kirche darauf; Paul Klees Zeichnung einer Stadt in Form eines nordafrikanischen Teppichmusters von 1927; Marcel Breuers Collage „bauhaus film“ von 1926; Kurt Schmidtfegers Farbenreflektor von 1922 – kann man aus vier Objekten eine Ausstellung über die weltweite Wirkung des Bauhauses machen? Es geht. Jetzt im Haus der Kulturen der Welt als „Bauhaus Imaginista“ zu sehen, kuratiert von Marion von Osten und Grand Watson.

Der Audioguide führt am Besten durch die „Bauhaus Imaginista“-Ausstellung

Beide sind keine Bauhaus-Experten, waren es jedenfalls nicht zu Beginn des Projekts vor vier Jahren. Doch genau dieser neugierige Zugriff, fundiert mit rationaler und genau aus den Archiven forschender Wissenschaft ist das Erfolgsrezept des Projekts. Von Sao Paolo nach Kyoto, Hangzhou nach Neu Delhi, Moskau, Casablanca und Lagos, Peking, Rabat und Tokio reichen die Recherchen. Auffällig ist, dass Chicago und Harvard als amerikanische Töchter des Bauhauses kaum eine Rolle spielen. New York fehlt – ebenso wie Tel Aviv; dabei hätte man dort so schön die Kommerzialisierung des Bauhauses erforschen können. Man wolle anderen Ausstellungen im Bauhaus-Jahr nicht die Butter vom Brot nehmen, erklärt von Osten diese Lücken.

Vier Säle sind in Berlin zu sehen, in denen es flimmert und schimmert, echte Kunstwerke, Kopien, Fotografien und Textkopien, Modelle, Möbel, Bücher und Installationen. Ruckelnde Dia-Apparate bringen den Klang von Handwerklichkeit ins glatte Digitalzeitalter, knappe Texte versuchen, überaus komplexe Thesen zu erläutern. Am besten nimmt man sich einen Audioguide, denn die didaktische Aufarbeitung des reichen Materials ist, pardon, lausig.

Der Bauhaus-Stil fand überall Nachahmer

Um die hier gespannten Fäden zu einem Netz zu knüpfen, bräuchte man Kenntnisse der Geschichte des Bauhauses, des Kolonialismus, der Indien- und Afrikabegeisterung, des Stalinismus, der deutschen Exilgeschichte etc. Auch der Blick in das gerade in erweiterter Form neu herausgebrachte Buch von Magdalena Droste zum Bauhaus (Taschen-Verlag, Köln, 15 Euro) ist eine gute Vorbereitung. Aber selbst so gerüstet staunt man oft nur: Eine der ersten Ausstellungen zum Bauhaus fand in Kalkutta statt, 1922 bereits. Überhaupt war Indien sehr offen für die deutschen Lehrexperimente, schienen sie doch einen Weg weg von den streng auf Naturalismus geeichten Kunstakademien der britischen Kolonialmacht zu weisen. Umgekehrt war Rabindranath Tagore mit seiner an den deutschen Idealismus erinnernden Idee von der Kunst als Mittel der Persönlichkeitsbildung auch am Bauhaus überaus populär.

In Japan entstand eine nationale Bauhausnachfolge, in Nigeria plante der israelische Bauhausschüler Ari Scharon eine Kunsthochschule, die afrikanische Muster aufnimmt. Die Amerikaner Charles und Ray Eames regten für das indische Ahmedabad die Gründung einer modernen Kunstschule an – in der wie am Bauhaus Kunsthandwerk und Hohe Kunst verbunden werden sollten. Walter Gropius und sein aus China stammender Schüler I. M. Pei haben in den frühen 50er-Jahren parallel Entwürfe für eine chinesische Universität gemacht. Der rationalistische Gropius schlug leichte Pavillons, schmale Ganghallen und zart komponierte Gärten vor. Pei hingegen wollte die Studierenden in klosterartig geschlossenen modernistischen Lernburgen nach dem Vorbild der Elitecolleges an der amerikanischen Ostküste unterbringen. War nun Gropius vom chinesischen Erlebnis überwältigt – oder hat sich Pei dem Westen unterworfen?

„Bauhaus Imaginista“ braucht viel Zeit - ist es aber wert

Solche Irritationen, Querblicke und neuen Perspektiven sind es, die die Ausstellung spannend machen. Die Brasilianerin Lina Bo Bardi war eine Heldin der frühen Moderne Südamerikas. Sie stammte aus Italien, schuf mit dem IAC eine Kunstschule, die ausdrücklich das Vorbild der Bauhaus-Didaktik zitierte. Und hat doch mit ihren offenen Augen für die Volkskunst der schwarzen und weißen Armen im Nordosten des Landes, auch für die der indigenen Völker in Amazonien einen ganz neuen Weg hin zur Moderne versucht – der ihr sogleich die arrogante Kritik des deutschen Bauhaus-Nachfolgers Max Bill eintrug, dass so viel Heiterkeit und Schwung ja nun gar nicht gingen. Der aktuelle Streit in der Design-Gemeinde, ob man traditionelle Muster für moderne Stoffe verwenden darf, wäre Bardi wohl eher abstrus erschienen – zeigte doch gerade die Übernahme solcher Formen den zutiefst antikolonialen Impetus ihrer Arbeiten.

Dass Hannes Meyers Gang in die Sowjetunion 1932 auch eine Unterwerfung unter den Stalinismus bedeutet und die Massenbauten dieser Zeit auch der Unterwerfung renitenter Bauern durch die Kommunisten dienten, hätte man gerne mehr debattiert gesehen. Auch sonst bleiben Lücken bei einem Projekt, das die drei Bauhaus-Museen in Berlin, Dessau und Weimar ohne die Hilfe der Goethe-Institute und der Kulturstiftung des Bundes niemals hätten stemmen können. Und herrlich viele Fragen: Ist das neue Bauhaus-Museum in Fuyang bei Hangzhou nur eine Zutat zur von der Kommunistischen Partei nationalistisch überhöhten 2 000-jährigen Design-Tradition Chinas oder ein revolutionärer Akt gegen die sture akademische Lehre, die sonst an dieser Kunsthochschule noch herrscht?

Auf ins Haus der Kulturen der Welt – und planen Sie Zeit ein. Es ist eine Ausstellung, die es wert ist.