Die Stunde des Elefanten: Wie Anett Stuth die Naturfotografie neu erfindet
Anett Stuths Naturfotografien im Haus am Kleistpark erzählen von der Einzigartigkeit der Schöpfung und deren Bedrohung.

Das magischste Bild dieser so schönen wie denkwürdigen Ausstellung von Anett Stuths Naturfotografie ist wohl das eines leuchtend blauen Schmetterlings: „Half Morpho Menelaus“. Darin manifestiert sich vor einer blaugrünen, digitalen Algorithmus-Kulisse die ganze zauberhafte Flüchtigkeit des Lebens dieser Flügelwesen. Und dann ist da noch dieses Foto eines Elefanten. Der Dickhäuter steht in einem Glaskasten, neben ihm liegt ein gelber Ball mit Stäben. Ein Spielzeug, das an das Verspielte dieser mächtigen Säugetiere erinnert. Um kaum ein Tier ranken sich derart viele Legenden wie um die majestätisch-starken und doch so gelassenen Elefanten.
Sie vergessen nichts, heißt es, darum spricht man auch vom Elefantengedächtnis. Tatsächlich können sie sich hervorragend an Wege, Geländeformationen, Wasserlöcher und Futterquellen erinnern. Das ist für Elefanten überlebenswichtig, legen sie auf ihren Wanderungen durch Afrikas und Asiens Savannen doch oft Tausende Kilometer zurück.
Die in Berlin lebende Fotokünstlerin Anett Stuth hat zusammen mit ihren Kindern einen Berliner Lieblingsort: das Naturkundemuseum. Dort entstand eine Vielzahl ihrer Motive, die jetzt im Haus am Kleistpark ausgebreitet sind. „Time Loops“ nennt Stuth ihre Bilderzählung über die Einzigartigkeit der Schöpfung und deren permanente Bedrohung durch die Achtlosigkeit und fatale Ressourcengier der Menschen.
Stuth kombinierte ihre Motive mit historischen und prähistorischen Bildmaterialien. Dabei entstanden fotografische Installationen als zwei- und dreidimensionale Collagen, so etwa auch von einem galoppierenden Wildpferd, einem Löwen, einem riesigen Braunbär und einem Giraffen-Baby. Und von exotischen Pflanzen. Die Fotokünstlerin, Jahrgang 1965, studierte an der Leipziger Hochschule für Grafik und Buchkunst bei Arno Fischer, war danach Meisterschülerin von Timm Rautert. Ihr Anliegen ist es, die Schönheit als auch die Vergänglichkeit der Natur zu zeigen – faszinierend und unheimlich zugleich. Sie inszeniert diese Präparate mit großer Zärtlichkeit und zugleich optischer Eindringlichkeit. Dabei paart sie das Erhabene mit dem unweigerlich Vergänglichen, als „Nature morte“-Anblicke, wie wir sie aus der Altmeister-Malerei kennen.

In den meisten Bildern entfernte Stuth überflüssige Details und Informationen. Losgelöst von Ort und Zeit erleben wir die Naturobjekte wie stumme, erstarrte Zeugen vergänglicher Diversität. Die Bilder sind wie in Zeitschleifen verkettet, das fotografische Spektrum neu definiert, verschränkt in sich Räume, Epochen, kulturelle Sphären.
Haus am Kleistpark, Grunewaldstr. 6–7, bis 5. März, Di.–So. 11–18 Uhr/Do. bis 20 Uhr