Fulldome-Produktion: Mit der Voyager in den Weltraum
Derzeit ist die 1977 gestartete Raumsonde Voyager 1 rund 23 Milliarden Kilometer von der Erde entfernt. Kein von Menschen gemachtes Objekt ist je so weit in den Weltraum vorgedrungen. Die vielfach ausgezeichnete Fulldome-Produktion „Voyager – Die unendliche Reise“ begleitet die beiden Raumsonden Voyager 1 und 2 auf ihren Reisen und offenbart Erkenntnisse von bisher unbekannten Regionen des Kosmos. Die Originalproduktion wurde von den Fulldome-Spezialistinnen und -Spezialisten des Produktionsstudios UMA Vision in Kiew entwickelt und wird vom 13. Oktober an erstmalig in Berlin zu sehen sein, genau gesagt im Zeiss-Großplanetarium. Fulldome, das bedeutet, dass die Bilder auf eine halbkugelförmige Fläche projiziert werden, es ist die Planetariumskuppel. Sie umgeben den Betrachter. Die Stiftung Planetarium Berlin ergänzte die Produktion um einen Live-Teil, der auf die neuesten Erkenntnisse heutiger Raumsonden im Bereich des äußeren Sonnensystems eingeht. Susanne Lenz
Voyager – Die unendliche Reise Zeiss-Großplanetarium, Prenzlauer Allee 80, Sonntag, 16. Oktober, 14.45 Uhr, Dauer 50 Min., ab 10 Jahre
Kurdisches Filmfestival
Zum 12. Mal findet in Berlin das Kurdische Filmfestival statt. Diesmal liegt der Fokus auf Rojava, viele der über 50 Spielfilme, Dokumentationen, Kurzfilme, Experimental- und Kinderfilme beschäftigen sich mit der kurdischen Region im Nordosten von Syrien. So auch der Dokumentarfilm „Eine Brücke nach Rojava“, in dem zwei Berliner, die die Städtepartnerschaft zwischen Friedrichshain und der syrischen Stadt Derik vorantreiben wollen, dorthin reisen. Sie und die Zuschauer bekommen einen Einblick in die aktuelle Situation vor Ort, den Wiederaufbau, der nach dem Krieg gegen den IS zu einem Großteil von Frauen ausgeführt wird.
In „Sonne“ von Kurdwin Ayub, produziert von Ulrich Seidl, landen drei Freundinnen einen viralen Hit, als sie ein Video posten, in dem sie „Losing my Religion“ von REM im Hidschab singen. Einer der Väter vermarktet die drei prompt als religiöses A-cappella-Trio für kurdische Familienfeste und die Nachfrage ist enorm. Die einzig gläubige Muslima unter den Freundinnen hat bald genug von dem Ruhm, der so eng mit ihrem privaten Glauben verbunden ist. „Sonne“ wurde bei der Berlinale als bester Erstlingsfilm ausgezeichnet.
Meistgelesene Artikel
Ein weiteres Highlight ist der Thriller „Das Milan Protokoll“ von Peter Ott. In seinem zweiten Spielfilm lässt der Regisseur eine deutsche Ärztin im Irak von einer sunnitischen Gruppe entführen, die ihr unterstellt, Waffen transportiert zu haben. Wer verstehen will, welche Interessen Deutschland, Syrien, die Türkei, der IS und andere Mächte in der Region verfolgen, wird hier Antworten finden. Claudia Reinhard
Kurdisches Filmfestival Berlin, 13.–19. Oktober, Babylon, Moviemento und fsk Kino
Edmund de Waals „Elegien“ in der Feuerle Collection
Nahe Gleisdreieck und dem Berliner Technikmuseum zeigt der britische Keramik-Künstler und Schriftsteller Edmund de Waal seine „Elegien“, im 400 Quadratmeter messenden „Silk Room“ der Feuerle Collection. Die erlesene Privatsammlung hat ihr Domizil im einstigen Telekommunikationsbunker, seit 2016 exklusiver Kunst-Ort. Der Brite stellt seine fragilen gefäßartigen Objekte ausgewählten Artefakten und Dokumenten aus der Sammlung Feuerle beziehungsreich gegenüber: Werken von Morandi und Rembrandt sowie einer kaiserlich-chinesischen Dokumentenkiste aus der frühen Qing-Dynastie (Anfang 17. Jhd.) einem Konvolut seltener burmesischer Bronze-Gefäße aus dem Mon-Königreich (6. Jhd.).

De Waals „Erste Elegie“, „Vierte Elegie“ und „Siebte Elegie“ entstanden unlängst zum 100-jährigen Jubiläum der „Duineser Elegien“ des Dichters Rainer Maria Rilke; die hatte er 1912 begonnen und 1922 abgeschlossen. De Waal bezieht sich damit auf Erinnerungen an seine Großmutter, einst Schülerin und Busenfreundin Rilkes. Die zarten Objekte bestehen aus Porzellan, Alabaster, Marmor und Gold. Und es gibt noch eine vierte Arbeit, die „Lettres à Camondo“, als Bezug auf die Räume und die Geschichte des Pariser Musée Nissim de Camondo, dazu das Buch, eine Sammlung fiktiver Briefe de Waals an den Bankier und Kunstsammler Moïse de Camondo. Zwei Familiengeschichten werden zusammengeführt: die des Bankiers Nissim de Camondo und die der Familie Ephrussi aus Konstantinopel, deren Nachfahre de Waal ist.
Sammler Désiré Feuerle hat die Ausstellung selbst kuratiert, die Lichtsituation und auch die Vitrinen konzipiert. Das milde Licht soll an Bilder flämischer Altmeister erinnern. Unübersehbar geht es ums Sammeln, Archivieren und Erschließen. Und um den so harmonischen wie spannenden Dialog von Gegenwartskunst und antiken Stücken aus verschiedenen Kulturen. Ingeborg Ruthe
Feuerle Collection, Silk Room, Hallesches Ufer 70, bis 9. April 2023, Fr. 14–19/Sa. + So. 13–18 Uhr. Besuch per Online-Ticket/Buchung regulärer Führungen: info@thefeuerlecollection.org
Suse Wächters Brecht-Abend mit Puppen am Berliner Ensemble
„Brechts Gespenster“ ist ein Schmuckstück von Theaterabend und ein Pfund für einen verantwortlich kalkulierenden Intendanten wie Oliver Reese. Suse Wächter und ihre vielen, umwerfend charaktertreu den Helden und Schurken des 20. Jahrhunderts nachgebauten Puppen, ihr Mitspieler Hans-Jochen Menzel und die beiden Musiker Martin Klingeberg und Matthias Trippner finden gut Platz vor dem eisernen Vorhang auf der Vorbühne des Berliner Ensembles. Und obwohl der Abend gerade herausgekommen ist, dürfte jetzt schon klar sein, dass es sich um einen Dauerbrenner handelt. Es gibt Lieder und Dialoge aus dem Werk Brechts, vorgetragen unter anderen von Luciano Pavarotti, Einblicke in seine Arbeitsweise, referiert von Manfred Wekwerth, bissige Gegenwartskommentare von dem untoten Wladimir Iljitsch Lenin und die Arbeiterklasse tritt auch auf. Das macht schnellen Spaß und gibt lange zu denken.

Und der geschäftige Reese atmet mal durch, denn währenddessen kann hinten zum Beispiel das voluminöse, unpraktische, spielfeindliche, stählerne Labyrinth von Barrie Koskys „Dreigroschenoper“ herumstehen und auf den nächsten Einsatz warten. Man könnte die beiden Produktionen als Brecht-Perpetuum-mobile laufen lassen, bis die letzten Kulturtouristen den Schiffbauerdamm abgehakt haben. Aber dann wäre es kein Theater, sondern ein Museum. Ulrich Seidler
Brechts Gespenster, 14., 15.10., 19.30 Uhr, 16.10. 18 Uhr im Berliner Ensemble, Karten und Informationen unter Tel.: 030 28408155 oder berliner-ensemble.de
Berliner Edition des Avant Art Festivals in der Berghain-Kantine
„Wir sind unsichtbar“, hat die Journalistin Emilia Smechowski 2017 in Interviews zu ihrem Buch „Wir Strebermigranten“ über die polnische Community in Deutschland, insbesondere Berlin, gesagt. Ein Ort, an dem die polnische Community hingegen sehr gut sichtbar und hörbar ist, seit 2019: der Berliner Ableger des Avant Art Festivals, das schon seit 2008 in Breslau und seit 2017 in Warschau Freundinnen und Freunde des elektronischen Undergrounds begeistert.
Los geht’s am Freitagabend mit Zeten aus Polen, der an den Turntables britisch-brachiale Bassmusik scartchend mit HipHop-Klassikern kreuzt. Danach kommt Phatrax, ein DJ aus Warschau, Jahrgang 1997, der dort im SideOne jobbt (einem der besten Plattenläden der Welt, vergleichbar mit dem HardWax in Berlin) und auch Partys für Refugees organisiert. Letztes Jahr erschien seine Debüt-EP mit dem Titel „I’m Jesus Christ“. Keine falsche Bescheidenheit!
Tonfa, ein Rap-Duo aus Warschau, schwören auf düster-psychotische Vocals mit viel Störgeräusch, flankiert von unnachgiebigen Beats. J Scotch Egg wiederum ist kein Pole, sondern kommt gebürtig aus Tokio und hat sich im UK-Underground einen Namen gemacht, vor allem seiner gitarrigen Experimente wegen. Für den Gig in Berlin (wo er inzwischen auch lebt) beim Avant Art Festival hat er sich zudem Ethnique Punch, einen MC aus der Türkei mit geradezu hypnotischen Skills, geladen. Begleitet werden die beiden von MO’ONG, einem Instrumentenbauer und Experimentalmusiker aus Indonesien.
Das Finale am Freitag gegen Mitternacht machen dann die Deli Girls, ein Dance-Punk-Projekt aus Brooklyn, das sich selbst als queere Freaks bezeichnet und am liebsten Moshpits anstachelt. Obacht: Am 13. November gibt’s noch einen zweiten Teil der dritten Berlin-Ausgabe vom Avant Art Festival. Aber das wäre keine gute „Entschuldigung“ dafür, nun den Termin im Oktober auszulassen. Stefan Hochgesand
Kantine am Berghain, Am Wriezener Bahnhof, Freitag, 14. Oktober, 20 Uhr, VVK 10 Euro