Neben der DDR und Bulgarien galt die späte CSSR als treuester und langweiligster Vasall der Sowjetunion. Nach der Katastrophe von 1968 wandelte sich die Tschechoslowakei in der Wahrnehmung von außen bald in ein biederes Refugium für Blasmusik, Knödel und harmlose Kinokomödien. Klar, es gab die berühmten Dissidenten um Václav Havel und die Charta 77 – doch schienen diese intellektuellen Außenseiter im Volk wenig Widerhall gefunden zu haben. Nun beweist ein semi-dokumentarischer Film, dass es auch „an der Basis“ Widerstand gegeben hat, sogar ausgesprochen militanten Widerstand.
Die drei Anfang der 1970er Jahre geborenen slowakischen Regisseure Ivan Ostrochovsky, Pavol Pekarčík und Peter Kerekes porträtieren in „Zamatoví teroristi (Velvet Terrorists)“ jeweils einen dieser Kämpfer. Stano wollte am Vorabend des 1. Mai eine Tribüne in Brand setzen, um das alljährliche Defilee zu verhindern. Vladimír zerstörte systematisch Propagandatafeln und stellte Heißluftballons her, um Flugblätter herabregnen zu lassen. Fero war Kopf einer kleinen Kampfeinheit, die sich vorgenommen hatte, Staatspräsident Gustáv Husák in die Luft zu sprengen. Alle drei Aktivisten scheiterten, wurden eingesperrt und kamen erst im Herbst 1989 frei.
Das Triptychon macht einen formal originellen und überaus selbstironischen Blick auf Geschichte frei. Das Trio wird in der Gegenwart gezeigt, spielt für die Kamera jedoch auch Szenen aus der Vergangenheit nach. Dieses nochmalige Durchleben einst überaus ernster Vorgänge hat etwas Befreiendes. Die aktuellen, nicht gerade beneidenswerten Lebensumstände kommentieren visuell die Berichte aus realsozialistischer Zeit, ohne dabei kurze Schlüsse zu ziehen. Die drei Porträtierten sind ganz sicher keine Sieger der Geschichte, doch Verbitterung ist ihnen fremd; zumindest für die Dauer dieses Filmes.
Meistgelesene Artikel
Die Eiszeit des Ceausescu-Regimes
„Al doilea joc (The Second Game)“ des rumänischen Regisseurs Corneliu Porumboiu schlägt ebenfalls eine Brücke vom Jetzt zum Einst. Er tut dies mit einem minimalistischen Kunstgriff. Sein Setting besteht aus einem Wohnzimmer mit Fernseher. Auf diesem läuft ein Fußballspiel. Vater und Sohn sitzen vor dem Bildschirm und unterhalten sich über das Spiel, die beiden sind nicht zu sehen, nur zu hören. Das besondere an dieser Konstellation: der Vater fungierte damals als Schiedsrichter der Begegnung, sein Sohn ist der Filmemacher.
Im Fernseher ist der 3. Dezember 1988: es spielen die Mannschaften von „Dinamo“ gegen die von „Stanea“, Geheimpolizei gegen Volksarmee. Schweres Schneetreiben liegt auf den Bildern des staatlichen rumänischen Fernsehens, verstärkt noch durch das Rauschen des alten VHS-Mitschnitts. Der Ton ist weggedreht, stattdessen sind die Kommentare der beiden Zuschauer zu vernehmen, hin und wieder klappert Geschirr. Merkwürdigerweise entfaltet der Film Spannung. Aus den unscharfen, verwaschenen Bildern kriecht einen die Eiszeit des Ceausescu-Regimes an. Ein Jahr später war der Diktator schon ein toter Mann. Zum Zeitpunkt des Spiels konnte von den Ereignissen der nachfolgenden Monate niemand etwas ahnen. Der damalige Schiedsrichter erzählt, dass er im Vorfeld des wichtigen Spiels von beiden Parteien bedrängt wurde, in ihrem jeweiligen Sinne zu pfeifen. Porumboiu senior blieb unbestechlich. Nach 90 Minuten pfiff er die torlose Begegnung ab. Es gibt keine Pointe – außer der, die sich aus dem Wissen um die historische Entwicklung ergibt.
Der Film ist nur scheinbar banal; er zeugt auf fast beiläufige Weise von der Flüchtigkeit sich eben noch manifest glaubender Systeme. Sowohl „Zamatoví teroristi“ als auch „Al doilea joc“ sind beeindruckende Belege für einen neuen Umgang mit der osteuropäischen Vergangenheit. Sie stammen von Künstlern, die am Ende des Kalten Krieges Heranwachsende waren. Ihr Blick ist unverstellt, neugierig und erfrischend.
Velvet Terrorists 15.2.: 19.15 Uhr, CineStar 8 (E), The Second Game 16.2.: 15 Uhr, Cubix 7 (D)