Brennende Landschaften: „The Siren“ zeigt einen vergessenen Krieg
Ein Animationsfilm eröffnet in diesem Jahr die Panorama Sektion der Berlinale. Er zeigt schöne Bilder eines grausamen Konflikts, der Millionen Menschenleben kostete.

Omid lebt in Abadan, im Iran. Er ist 14 Jahre alt, gerade zeigt sich der erste Bartwuchs über der Oberlippe. Der Jugendliche ist fasziniert vom Hahnenkampf, von Fußball mit Freunden. Zu Hause kümmert er sich um seinen Großvater, nebenbei fährt er Essen aus, um etwas dazuzuverdienen. Doch er kann sein Leben schwer planen, denn es fallen immer wieder Raketen und Bomben auf seine Stadt. Abadan wird belagert. In Iran von 1980 hat der Krieg mit dem Irak gerade begonnen.
Der Film „The Siren“ eröffnet in diesem Jahr die Panorama-Sektion und dieser beeindruckende Animationsfilm schafft etwas, das eigentlich unmöglich sein sollte: Er bringt schöne Bilder des Krieges auf die Leinwand. Da ist gleißendes Orange, wenn ein Ölturm in die Luft fliegt, da sind die großen Augen von Omid, die in allem ein Abenteuer sehen, und da ist die Distanz, die entsteht, wenn der Nebel sich verzieht und der Junge vor einem Leichenfeld steht, das immer größer wird.
Die iranische Regisseurin Sepideh Farsi hat das Stilmittel des Zeichentricks sehr bewusst gewählt. Auf diese Art könne sie mehr zeigen als mit einer Realverfilmung; wie bei einer Schwarz-Weiß-Fotografie entstehe, so kommentiert sie ihre Arbeit, eine Entfremdung mit dem Thema Krieg, die ihr aber gleichzeitig ermögliche, mehr von dem zu zeigen, was sich im Leben des Kindes abspielt.
Omids Leben und Alltag in der Belagerung wird als eine Odyssee gezeigt, bei der immer wieder Zeit für lange Blicke auf große Landschaften bleibt: die Ölraffinerie, die beschossen wird, ebenso die Stadt, die gleichzeitig friedlich und feindselig wirken kann – und dann das Krankenhaus, das für einige zur Endstation wird. Ähnlich wie in Steven Spielbergs „Reich der Sonne“ wird die Hauptperson erwachsen mitten in einem bewaffneten Konflikt.
Genau wie der Autor des Films, Javad Djavahery, lebte Sepideh Farsi im Jahr 1980, zur Zeit der Belagerung von Abadan, noch im Iran. Sie war damals 16 Jahre alt und musste für „antiislamisches Verhalten“ einige Zeit ins Gefängnis. Erst im Jahr 1984 schaffte sie es, für ein Studium nach Frankreich zu ziehen, wo sie auch heute noch lebt und arbeitet. Die Zeit des Iran-Irak-Krieges habe sie bis heute geprägt, sagt sie. Millionen Menschen ließen in dem Konflikt ihr Leben.
Auch wenn die meiste Zeit Männer die Hauptrolle spielen, so bleibt eine Szene besonders lange im Kopf: Als Omid und sein väterlicher Freund gerade einen Autounfall überlebt haben, stößt ein junges Mädchen zu ihnen. Sie möchte helfen und dem Freund notdürftig einen Verband anlegen. Doch dazu muss sie ihr Kopftuch abnehmen. Erschrocken lassen die Männer das geschehen.
Es ist eine Szene, geschrieben im Jahr 2017, die aktueller nicht wirken könnte, in ihrer Darstellung dieses selbstbewussten Mädchens, das für ein größeres Ziel eine rote Linie überschreitet. Farsi hofft, dass der Film auch in ihrer Heimat ein Publikum finden wird.
La Sirène. Panorama, R: Sepideh Farsi, Iran
Vorführungen: 16.2. 21 Uhr (Zoo Palast 1), 16.2. 21.30 Uhr (Zoo Palast 2), 17.2. 13 Uhr (International), 18.2. 21.30 (Titania), 19.2. 15.30 Uhr (FT am Friedrichshain), 24.2. 18.30 Uhr (Zoo Palast 1)