Berlinale-Jury: „An die Bedeutung des Preises glaubt nur, wer ihn gewinnt“

Vor den zur Berlinale geladenen Nachwuchstalenten sprach die Jury über ihre Arbeit, Politik und Penisgröße.

Kristen Stewart am Sonntagabend im HAU
Kristen Stewart am Sonntagabend im HAUdpa

„Sicher hat noch keiner von euch ‚Twilight‘ gesehen – freut euch drauf!“, ruft Kristen Stewart, bevor der Vorstellungsfilm über die diesjährigen Mitglieder der Berlinale-Jury abgespielt wird, und erntet damit gleich die ersten großen Lacher. Als der Clip von Radu Jude läuft, geht sie vor der Leinwand auf die Knie, der Regisseur schaut nur kurz schmunzelnd vom Handy auf. Man könnte allein diesen beiden den ganzen Abend zuschauen. Stewart, zwischen abgefuckter Coolness und dem stets aufrichtig wirkenden Ringen um die richtigen Worte, und Jude, immer auf der Lauer für einen Einsatz zum nächsten Wortschwall, den Stewart dann mit einem spöttischen Grinsen oder Augenrollen quittiert. „Klar ist Humor wichtig, am besten möglichst vulgär!“, sagt er irgendwann, „gerade für ein so steifes Volk wie die Deutschen.“

Gemeinsam mit Valeska Grisebach, Golshifteh Farahani und Carla Simón sind sie am Sonntagabend ins HAU gekommen, um vor den 203 Nachwuchstalenten aus der ganzen Welt, die es in diesem Jahr in die Auswahl der Berlinale Talents geschafft haben, Fragen zu beantworten. Sie tun das überraschend offen. „Ich bin vor allem hier, um etwas zu lernen“, erklärt Stewart. „Klar, wahrscheinlich dachten sich die Leute: ,Die ist cool, die wird uns Presse verschaffen.‘ Aber deshalb würde ich doch nicht absagen!“

Wer hat den Größten?

Selten hat man eine so fröhliche Jury erlebt wie diese fünf auf der Bühne (die fehlenden Entscheider Johnnie To und Francine Maisler waren verhindert), die ihre Aufgabe mit enormer Leidenschaft angehen und sich gleichzeitig keinen Illusionen über die eigene Bedeutung hingeben.

Die Jury-Mitglieder Radu Jude, Golshifteh Farahani, Jurypräsidentin Kristen Stewart, Carla Simón und Valeska Griesebach
Die Jury-Mitglieder Radu Jude, Golshifteh Farahani, Jurypräsidentin Kristen Stewart, Carla Simón und Valeska Griesebachdpa

Man wolle doch das Patriarchat aushebeln, bemerkt ein Talent aus dem Publikum. Ob man da nicht vielleicht generell lieber aufhören sollte, ständig gegeneinander anzutreten, zumal mit Kunst? Irgendwie sei das doch auch nur ein Schwanzvergleich. Das gefällt vor allem Radu Jude, der ja als einziger Mann auf dem Podium sitzt. „Für mich ist die Frage nach dem größten Penis hier kein Problem!“ Kristen Stewart macht es kurz: „Wir sollen einen aussuchen. Aber das ist natürlich Bullshit!“ Jude ergänzt, und weiß als Bären-Gewinner, wovon er spricht: „An die Bedeutung des Preises glaubt nur, wer ihn gewinnt.“

Was aber eine Bedeutung hat, ist der Weg zur Entscheidung, das wird an diesem Abend sehr deutlich. Zum Beispiel, als Kristen Stewart von den Gesprächen nach den Filmen erzählt. „Es ist nicht so, dass sich dadurch meine Meinung ändert, eher, als würde sich das Verhältnis zu meinen Erinnerungen verändern. Reden über Filme ändert alles!“ Damit bringt sie ganz nebenbei einen zentralen Aspekt für die Bedeutung von Filmfestivals auf den Punkt. Golshifteh Farahani sieht es genauso. „Es gibt nichts Schöneres, als mit einer Meinung zu einem Abendessen zu gehen und mit einer anderen nach Hause zu kommen.“