Berlinale: Schlafenden Filmkritikern hilft man nicht
Ob es an meiner entspannenden Aura liegt? Auffällig viele Filmkritiker, die sich in diesem Jahr in Berlinale-Vorführungen neben mich setzen, schlafen jedenfalls daraufhin sofort ein. Zum Beispiel der Kollege, der am Montag vor Beginn der Nachmittagsvorstellung von Sabus Killer-kann-kochen-Film „Mr. Long“ gerade noch weit entfernt sitzenden Freunden quer durch den Saal zugebrüllt hat, dass in Berlin mal wieder alles total „amazing“ ist – kaum hat er sich an mir vorbei in den Nachbarsitz gequetscht, ist er auch schon entschlummert und erwacht erst wieder zum finalen Messergemetzel.
Am Dienstagmittag in der Vorführung von „Beuys“ sitze ich neben einem Briten mit fadenförmigem Schnauzbart, der nach dem Verlöschen des Lichts laut zu schnarchen beginnt. Ich höre mir das ein paar Minuten an und versuche dann sanft, ihn zu wecken – erfolglos. Erst, als ich kräftig an ihm rüttle und reiße, macht er die Äuglein auf und guckt empört. Ich sage: „Sorry, you have been snoring.“ Er sagt „humpf“ und schläft weiter, diesmal leise.
Am Dienstagnachmittag in der Premiere des Tangerine-Dream-Films „Revolution of Sound“ sitze ich hinter einem deutschen und neben einem japanischen Kollegen. Während der Deutsche schon selig schläft, tippt der Japaner noch auf seinem Mobiltelefon herum, bis er während des Tippens ebenfalls wegnickt und nun mit beiden Händen um das Telefon krampfend mit leicht nach vorne gebeugtem Kopf in seinem Sessel verharrt. Nach einer Weile beginnt aus dem leicht geöffneten Mund Speichel auf das Display zu tropfen – bis der deutsche Kritiker vor mir plötzlich erwacht, weil ihm das von ihm ebenfalls fest umklammerte Telefon im Zuge der muskulären Entspannung aus der Hand gefallen und unter eine der vorderen Sitzreihen gerutscht ist; er krabbelt nun auf dem Boden herum und tastet im Dunkeln umher, bis er auf die Idee kommt, mich zu fragen, ob ich ihm mein Telefon zum Leuchten leihen kann; ich sage: Nein.