Chilenische Kommunistin: Camila Vallejo besucht Deutschland

Berlin - Commander Camila, die Studentin, die eine Stadt zum Stillstand bringen kann, schreibt der Guardian. Diese Studentin sitzt nun auf Einladung der Rosa-Luxemburg-Stiftung und der Bildungsgewerkschaft GEW im Würzburger Industriegebiet. Ihre deutschen Gastgeber halten Reden über Bauernaufstände, den Widerstand gegen die Nazis und die deutsche Solidarität mit Allende. Vallejo hört konzentriert zu. Nickt interessiert. Doch unter dem Tisch scharrt sie mit den Füßen. Stillsitzen in Würzburg, eine Bewährungsprobe für selbsternannte Revolutionäre.

Und nichts Geringeres als die Revolution soll Camila Vallejo auf ihrer Europareise verkünden. Sie kommt nicht allein. Seit ihrem Scheitern bei der Wiederwahl zur Präsidentin der chilenischen Studentenvereinigung FECH teilt sie das Mikrophon, auch bei Interviews. Camila Vallejo, nun Vizepräsidentin der chilenischen Studentenbewegung, reist mit Karol Cariola (Generalsekretärin der kommunistischen Jugend Chiles) und Jorge Murúa (Vorstandsmitglied der Metallarbeitergewerkschaft). Zehn deutsche Städte stehen auf dem Programm, am Mittwoch Berlin. Es folgen Italien, Schweden, Niederlande. Fast ein gnädiges Programm, wenn man den Titel der Europareise bedenkt: „Wir können die Welt verändern!“

Sätze, die sitzen

Zehn Tage Interviews in Deutschland. Kontakte pflegen und knüpfen, Überzeugungsarbeit leisten. Auch im Würzburger Studentenhaus. Der Saal ist voll. Vorwiegend ältere Besucher. Die jungen Redner auf dem Podium geben sich von Beginn an selbstbewusst: Die chilenischen Proteste seien keine Zufallsgeburt, sondern das Ergebnis eines jahrelangen Reifungsprozesses. Camila Vallejo spricht kontrolliert. Jeder Satz, jede Pause sitzt. Sie sagt diese Sätze nicht zum ersten Mal.

Verglichen mit den Videos aus Chile, in denen sie stolz vor einer Menge junger Chilenen zu sehen ist, wirkt sie auf dem vielköpfig besetzten Podium müde und abgekämpft. Sie ist gekommen, um zu erklären, wie man Massen mobilisiert, doch demonstriert sie an diesem Abend vor allem eines: Revolutionäre brauchen ihr Volk, jene, die von der Agenda betroffen sind. Die Veranstalter erhoffen sich von den Besuchern Anregungen für die Protestbewegungen in Deutschland. Das Publikum aber gibt sich erst einmal verhalten.

Keine Occupy, keine Nazi-Morde

Der universelle Anspruch, den die drei mehrfach stellen, findet sich in der Argumentation nicht wieder. Diese ist an ihr Land und dessen spezifische politische Situation geknüpft. Auch bei Fragen in Bezug auf die deutsche Occupy-Bewegung oder die jüngsten Nazi-Morde müssen die Redner passen. Davon sei in chilenischen Medien nichts zu lesen.

Sie bleiben bei ihrem Land. Schon sind sie wieder im Modus der professionellen Revolutionäre: Chile lasse sich in den Medien als „Jaguar Lateinamerikas“ feiern. Ein Vergleich, der angesichts einer Armutsreduktion von knapp 50 auf 10 Prozent nicht fern liegt. Nicht so in den Augen der Studenten. Der Preis für dieses Wachstum sei hoch und gehe auf Kosten der Bildung, der Arbeiter und nicht zuletzt der Natur. Sowie der „chilenische Frühling“ begann, sei ihnen klar geworden: „Aus dieser sozialen Bewegung muss eine politische Bewegung werden.“ Und zwar eine, die nicht in Chile endet. Nicht bei den Studenten. In den spanischen Protesten sehen sie zwar Parallelen zu den eigenen, doch noch keine vergleichbare politische Reife.