Claes Oldenburg, der Meister der Alltagsphantasmen, ist tot

Seine Skulpturen finden sich in vielen Städten in aller Welt. Gesellschaftskritik und purer Spaß gehen Hand in Hand. Nun ist Claes Oldenburg mit 93 gestorben.

Claes Oldenburg im Kölner Museum Ludwig vor seinem Werk „Shoestring Potatoes, Spilling from a Bag“, 1966
Claes Oldenburg im Kölner Museum Ludwig vor seinem Werk „Shoestring Potatoes, Spilling from a Bag“, 1966dpa

Nach all den Jahrzehnten, in denen seine überdimensionierten Objekte die Innenstädte in aller Welt zieren, wirken diese noch immer wie eben erst vom Himmel gefallene Monumente des Alltagslebens. Das ist in vielen Fällen ganz wörtlich zu verstehen. Die auf das Dach der Kölner Neumarkt-Galerie geklatschte Eistüte wirkt einerseits wie ein abgestürzter Himmelskörper und erinnert zugleich an das Unglück, das Kindern widerfährt, wenn ihnen, hoppla,  die Verheißung des süßen Genusses entglitscht. Die Gebrauchsgegenstände in Übergröße – Büroklammern, Taschenmesser, Zahnpastatuben – konnten in den Phasen ihrer Entstehung noch als Konsumkritik verstanden werden, die Dominanz der Dingwelt hatte längst auch das Bewusstsein der Menschen erfasst, die in Claes Oldenburgs Werken den Ausgeburten ihre Tuns begegneten und davon durchaus gut unterhalten wurden.

Die Spitzhacke am Ufer der Fulda in Kassel
Die Spitzhacke am Ufer der Fulda in Kasseldpa

Humor könne helfen, die Welt neu zu sehen, befand der Künstler der Pop-Art, zu deren Vertretern er neben Roy Lichtenstein und Andy Warhol früh gerechnet wurde, er stehe in der Funktion einer höheren Vernunft. Und dass die Ergebnisse seiner Spaßarbeit nicht nur in kunterbunten Slapstick-Szenerien, sondern auch in erhabener Schönheit in Erscheinung zu treten vermochten, beweisen seine Billardkugeln im Münsteraner Aasee-Park, die er dort 1977 anlässlich der ersten, alle zehn Jahre stattfindenden Schau Skulptur Projekte anstieß. Sicher, sie haben, wenn man genau hinsieht und sie nicht gerade frisch getüncht worden sind, Moos angesetzt. Die Spuren der Verwitterung zehren insbesondere an der Kunst im öffentlichen Raum, zu deren herausragenden Vertretern der als Sohn eines schwedischen Diplomaten 1929 in Stockholm geborene Oldenburg zählt. Seit Mitte der 70er-Jahre arbeitete er mit seiner Frau zusammen, der niederländischen Künstlerin Coosje van Bruggen. Sie starb 2009.

Beton, Teer und Metall

Einen Namen hatte sich Claes Oldenburg bereits in den 50er-Jahren mit Assemblagen aus Pappmaché und diversen Abfallprodukten gemacht, Popkultur, also popular culture, bedeutete für ihn in einem buchstäblichen Sinn all das, was eine große Stadt hervorzubringen imstande ist oder liegen lässt: Abfall, Lärm, Beton, Teer und Metall. Oldenburg hüllte die Gegenstände in knallbunte Farben und verhalf ihnen zu nicht selten phallischer Größe.

Die Verbindung seiner Formensprache mit schnörkelloser Gesellschaftskritik kulminierte 1969 in einem seiner berühmtesten Werke. Er pflanzte einen riesigen Lippenstift auf die Ketten eines Panzers mit der Aufschrift: „Make Love Not War“. Es war die Losung einer Zeit, in der es noch einfach zu sein schien, sich gegen einen Krieg, in diesem Fall in Vietnam, zu positionieren. Am Montag ist Claes Oldenburg im Alter von 93 Jahren in New York gestorben.