Computer heißt „computratum“: David Gallagher übersetzt Comics ins Lateinische
Mit seinen Arbeitskollegen unterhält sich Daniel Gallagher auf Latein, morgens nach dem Aufwachen liest er täglich eine halbe Stunde Cicero. Der 45 Jahre alte US-Amerikaner ist einer von wenigen Tausend Menschen weltweit, die fließend in der Sprache der klassischen Antike kommunizieren können. Und er hat eine Mission: Er will Leidenschaft wecken für eine Sprache, die gemeinhin als „tot“ bezeichnet wird, die er aber für sehr lebendig hält.
Daniel Gallaghers Arbeitsplatz ist der Vatikan. Als einer von sieben Latein-Experten im Dienste des Papstes überträgt der Geistliche wichtige Dokumente in die Amtssprache der katholischen Kirche. Zudem betreut er den lateinischen Twitter-Account von Franziskus. Zuletzt hat er allerdings im Dienste seiner Mission auch den internationalen Bestseller „Gregs Tagebuch“ ins Lateinische übersetzt, einen Comic-Roman mit einem zwölfjährigen Protagonisten, der Videospiele liebt und Heavy Metal hört.
Sein Büro hat Monsignore Gallagher im vatikanischen Staatssekretariat. Es gibt vermutlich nicht viele, deren Arbeitsweg kunsthistorisch interessanter ist. Ein hölzerner Fahrstuhl ächzt in die Terza Loggia, den dritten Stock des Apostolischen Palastes, wo ein Schweizergardist zur Begrüßung salutiert. Eine Etage tiefer liegen die päpstlichen Gemächer. Gallagher eilt durch die Galerie der Landkarten, einen langen Flur mit Fresken aus dem 16. Jahrhundert und durch Räume, die von Raffael-Schülern ausgemalt wurden.
Über jedem Schreibtisch hängt im Staatssekretariat ein Bild des obersten Arbeitgebers, Franziskus. In den letzten Wochen waren Gallagher und seine Kollegen damit beschäftigt, dessen mit Spannung erwartete Enzyklika zum Thema Ökologie zu übersetzen, die am Donnerstag veröffentlicht wird. Der Argentinier schreibt auf Spanisch, aber die letztgültige Version des Lehrschreibens wird die lateinische sein. Die Übertragung muss also bis ins Detail stimmen. „Eine sehr anstrengende, penible Arbeit“, sagt Gallagher. Über den Inhalt ist er allerdings zum Schweigen verpflichtet.
„Latein ist die ideale Twitter-Sprache“
Kurzweiliger sei es, die Tweets des Heiligen Vaters zu übersetzen. Seit 2013 gibt es den lateinischen Account @pontifex_in, den mit 356 000 Followern sogar mehr Menschen regelmäßig lesen als den deutschen. „Latein ist die ideale Twitter-Sprache“, sagt Gallagher, „es ist sehr synthetisch und komprimiert“. Viele der Fans schreiben auch auf Latein zurück. Ein Japaner etwa verwandele jede Papst-Botschaft in ein lateinisches Gedicht, erzählt der Monsignore, „im Daktylus-Versmaß“.
Bei der Arbeit sprechen er und seine Kollegen tatsächlich nur Latein. „Das Übersetzen fällt leichter, wenn man die Sprache sowieso im Kopf hat“, sagt er. Inzwischen denke er sogar eher in Latein als in seiner Muttersprache Englisch. Dabei hat der aus dem US-Bundesstaat Michigan stammende Priester die klassische Sprache erst während des Theologie- und Philosophiestudiums gelernt. Sein Lehrer war es, der die Liebe zum Latein in ihm weckte. „Er unterrichtete es wie eine moderne Fremdsprache und ermunterte uns, Gedanken und Gefühle in Latein auszudrücken.“ Wer selbst Sätze forme, der verstehe auch die alten Texte leichter.
Lateinische Diskussion über Fußball
Gallagher lehrt heute selbst nebenbei am Paideia-Institut für humanistische Studien in Rom. Die Literatur von Seneca oder Ovid lesen und besprechen er und seine Studenten bevorzugt in antiken Stätten wie dem Forum Romanum oder in Ostia Antica. „Alle Sinne werden so aktiviert.“ Im Unterricht diskutieren sie auch über Themen wie Fußball und Politik.
Für fast jeden modernen Begriff gibt es eine lateinische Entsprechung. Der Computer etwa heißt „computratum“, Lateinisch für Rechengerät. Die Latein-Abteilung des Vatikans hat eigens ein Nachschlagewerk für moderne Wortschöpfungen erstellt, das „Lexikon recentis latinitatis“.
„Heavy Metal“ war eine Herausforderung
Gallaghers Credo lautet: „Auf Latein kann man alles sagen.“ Das hat er mit der Übersetzung von „Gregs Tagebuch“ gezeigt, dem Jugendbuch des US-Autors Jeff Kinney, das weltweit 150 Millionen Mal verkauft wurde. Die lateinische Version ist gerade in ganz Europa erschienen. Jugend-Slang, Comicsprache und bisher noch gar nicht übertragene Wörter wie „Heavy Metal“ waren eine Herausforderung. Gallagher sagt, er habe sich am Straßen-Latein orientiert, wie es bei den Komödiendichtern Plautus und Terenz nachzulesen ist.
Dem Papst hat er die Erstausgabe von „De inepto puero“ kürzlich persönlich überreicht. „Franziskus ist ein großer Lateinkenner.“ Aber als Leser wünscht sich Gallagher vor allem Schüler. Die sollen erfahren, wie unterhaltsam Latein sein kann.