Da müssen Sie am Wochenende hin: Die Kulturtipps der Redaktion
Unsere Kulturredaktion hat für Sie die Berliner Veranstaltungspläne durchforstet. Diese Woche: von Theaterjubiläum über Schwarze Geschichte bis Kunst über Mode.

Das Berliner Ensemble feiert den 125. Brecht-Geburtstag
Der Intendant Oliver Reese zeigt seit seinem Amtsantritt 2017, dass er Brecht auf dem Zettel hat. Frank Castorf, Ersan Mondtag und Michael Thalheimer haben Stücke des Mannes inszeniert, der hier in das Theater am Schiffbauerdamm eingezogen ist und als Erstes den Reichsadler im Stuck mit roter Farbe durchkreuzte und Schilder aufhing: „Glotzt nicht so romantisch“. Er wollte die Sehgewohnheiten des postbürgerlichen Publikums angreifen und sie als Mitgestalter der neuen Gesellschaft in die Pflicht nehmen. Lang ist das her. Die Zukunft schon lange vorbei. Jetzt gibt es sogar eine silberne Gedenkmünze mit Brechts Konterfei.

An diesem Wochenende wird alles, was das Repertoire derzeit an Brecht zu bieten hat, auf den Spielplan gesetzt – am wärmsten empfehlen wir Suse Wächters Geisterbeschwörung „Brechts Gespenster“. Darüber hinaus gibt es am Sonntag einen Tag voller Podiumsdiskussionen zu dem Titel, der auch die Gedenkmünze schmückt: „Ändere die Welt, sie braucht es!“ Auf drei Panels geht es um die Frage der Legitimität von institutioneller und individueller Gewalt, um die Möglichkeit von sozialer Gerechtigkeit und Gemeinwohl und um die Rolle der Kunst in der Gesellschaft. Zu allen Themen lesen Schauspieler passende Passagen aus Brecht-Werken. Ulrich Seidler
Brecht-Wochenende am Berliner Ensemble. Karten und Informationen unter Tel.: 030 28408115 oder unter: www.berliner-ensemble.de
Eine Ausstellung zur Geschichte der Familie Diek
Die neue Sonderausstellung im Schöneberg-Museum erzählt die Geschichte der Familie Diek. Mandenga Diek kam 1891 von Kamerun nach Deutschland. Er setzte sich schon im Kaiserreich und der Weimarer Republik für die Berliner Schwarze Gemeinde ein, unterstützte etwa Menschen beim Kontakt mit den Behörden. Seine Töchter Erika und Dorothea lebten nach dem Zweiten Weltkrieg in Tempelhof. Die Ausstellung folgt den Lebensläufen der Familienmitglieder bis ins wiedervereinigte Deutschland. Es ist eine Geschichte, die von Exotisierung geprägt ist, von rassistischen Angriffen, aber auch von Widerstand und Zusammenhalt. Wie das Museum mitteilt, baut die Ausstellung auf den Forschungen der Schwarzen Frauenbewegung der 1980er-Jahre auf und ist in enger Abstimmung mit den Familienangehörigen entstanden. Zu sehen sind persönliche Erinnerungen, Dokumente, Fotos. Die Ausstellung wird durch zeitgenössische Kunst von Otobong Nkanga und Kapwani Kiwanga ergänzt. Es gibt ein Rahmenprogramm mit Stadtspaziergängen, Stolpersteinverlegung und einem Filmabend. Susanne Lenz

Auf den Spuren der Familie Diek. Geschichten Schwarzer Menschen in Tempelhof-Schöneberg. Schöneberg-Museum, Haupstr. 40/42, Sa.–Do. 14–18 Uhr, Fr. 9–14 Uhr ,bis zum 1. Oktober 2023. Der Eintritt ist kostenfrei.
Im Ausland: Dichter interviewen Dichter anders

Es ist nur fast, aber nicht ganz zu spät, um sich auf diese besondere Art der Gedicht-Lesung zu freuen. „Stimmen:Lektüren“ findet am Sonntag zum letzten Mal im Ausland in Prenzlauer Berg statt, ein Nachholtermin aus dem November. Das Konzept ist so ungewöhnlich und so überzeugend, dass man sich wundert, warum es nicht schon vorher erfunden oder längst kopiert wurde: Es sind immer drei Vertreter des Genres zu Gast und lesen aus ihrem Werk. Sie bereiten sich aufeinander vor und führen dann das anschließende Gespräch. Wenn also A, B und C auftreten, wird vielleicht hinterher A von B und B von C, C wiederum von A interviewt. Die Paarung wird zwar vorab bestimmt, für das Publikum aber bleibt im Vorfeld offen, wer mit wem spricht. Dichterinnen und Dichter befragen sich natürlich anders, als wenn sie von Journalisten oder Literaturwissenschaftlern moderiert werden. Sie sind mehr am Schaffensprozess interessiert als jemand, der von außen blickt. Das ist der besondere Reiz der Reihe.
Die ersten vier Abende haben die Veranstalter übrigens inzwischen online gestellt: https://www.youtube.com/@auslandberlin/videos
An diesem Sonntag treten auf: Die Lyrikerin und Dramatikerin Margret Kreidl aus Österreich, deren jüngstes Buch „Schlüssel zum Offenen“ 2021 erschienen ist. Im selben Jahr erhielt sie den Preis der Stadt Wien für Literatur. Tibor Schneider, der Zweite in der Runde, hat einen Lyrikband („zimt fuer deutschland“) im Größenwahn-Verlag veröffentlicht, einen weiteren („magnesiumsgeschwindigkeit“) 2021 beim Berliner Verlag Schiler & Mücke. Und Mathias Traxler, der zwar in der Schweiz geboren ist, aber in Berlin lebt, ist als Dritter dabei. Seine Texte erscheinen im Lyrikverlag kookbooks und in der Parasitenpresse. Cornelia Geißler
Stimmen:Lektüren #10. So., 12. Februar, 20 Uhr, Ausland, Lychener Str. 60, Eintritt 5 Euro
Teufel im Pferdgewand: Kunst über Mode in Charlottenburg
Engelchen, die Teufel werden: „Devils on Horseback“, kuratiert vom Berliner Jung-Kuratorinnen-Duo Claire Koron Elat und Shelly Reich, ist quasi die Nachfolgeausstellung zu „Angels on Horseback“ – einer Schau, die Elat und Reich im Sommer letzten Jahres im Wedding kuratierten und die neben aufstrebenden Jungkünstler:innen wie Hannah Sophie Dunkelberg und Jon Rafman etwa auch ein Werk Gerhard Richters zeigte. „Devils on Horseback“ widmet sich jetzt einem Thema, das sich seit Anbeginn mit Kunst verknüpft und, wenn man ehrlich ist, nur schwer von ihr zu trennen ist: Kleidung und Mode. Also etwa mit der Art, wie, was wir tragen, Schambehaftetes verbirgt oder – im Gegenteil – unterstreicht, wie wir uns der Außenwelt präsentieren. Und somit auch zu einer Insignie unserer selbst wird.

Die Ausstellung, die etwa Arbeiten von Tom Burr, Lewis Hammond, Atiéna R. Kilfa und Kayode Ojo umfasst, lässt Mode als Artefakt erscheinen, aus dem sich neben persönlichen Erfahrungen und kulturellen Eigenheiten auch gesellschaftlicher Fortschritt ablesen lässt. Das wird zum Beispiel in Kayode Ojos Fotoarbeit „Overdressed“ deutlich. Sie zeigt eine an einem flauschigem Mantel hängende Perücke, die selbst fast wie ein lebendiges Objekt wirkt. Dass die Perücke als Kulturtechnik auch für Überschreitungen der Grenzen von gender, race und class steht, wirkt an dieser Stelle fast selbsterklärend. Man muss nur etwas länger nachdenken – schon wird deutlich, dass Kleidung doch so viel mehr ist als der Versuch, nicht nackt zu sein. Was wäre geeigneter, dies transparent zu machen, als die Kunst? Hanno Hauenstein
„Devils on Horseback“. Im 032c Workshop, Kantstraße 149, Eröffnung am Freitag, den 10. Februar. Ausstellung läuft bis 10. März
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