Da müssen Sie am Wochenende unbedingt hin: Die Kulturtipps der Redaktion

Unsere Kulturredaktion hat für Sie die Veranstaltungspläne durchforstet und die besten Ideen fürs Wochenende zusammengestellt.

Uroš Pajović/BLZ

Sie haben am Wochenende noch nichts vor oder sind noch nicht restlos mit Freizeitaktivitäten ausgebucht? Sehr gut! Die Berliner Zeitung hat für ihre Leserinnen und Leser wie jede Woche die Kulturtipps für das kommende Wochenende in Berlin gesammelt. Viel Spaß!


Theater: Noch einmal Sophie Rois in der Konditorei

Die Tickets sind natürlich alle weg, aber vielleicht ist ja jemand so snobby und überlegt sich spontan, dass es vielleicht doch schöner sein könnte, im Biergarten zu sitzen als im Theater. Ein Berufskritiker würde nie zugeben, dass das in der Regel zutrifft, aber diese Regel gilt nicht, wenn Sophie Rois auftritt. Zumal es einer ihrer letzten Auftritte im Deutschen Theater (genannt: Die Konditorei) sein wird. Ab der nächsten Spielzeit ist sie wieder an der Volksbühne (genannt: Der Panzerkreuzer) engagiert, dann kann es nach der ersten durchwachsenen René-Pollesch-Saison auch dort endlich richtig losgehen. Sophie Rois musste eben noch ihren Vertrag am Deutschen Theater erfüllen, das ihr Exil geboten hat, als die Volksbühne durch das Dercon- und das anschließende Dörr-Debakel schipperte.

Kotbong Yang, Sophie Rois, Trystan Pütter (v. l.) in „Liebe, einfach außerirdisch“
Kotbong Yang, Sophie Rois, Trystan Pütter (v. l.) in „Liebe, einfach außerirdisch“Luna Zscharnt

Meine eine Kollegin, Doris Meierhenrich, schreibt in ihrer Kritik: „Sophie Rois’ Liebe zum Volkstheater kommt hier wunderbar auf Tour und bleibt doch immer genau, wobei die herrlichste Szene zwischen ihr, Trystan Pütter und einem Stück Torte stattfindet. Muss man selbst sehen.“ Außerdem geht es um Sex. Und hierzu empfehlen wir, auch zum Trost für diejenigen, die dann vielleicht wirklich keine Karten an der Abendkasse bekommen, das Interview, das Sophie Rois meiner anderen Kollegin, Susanne Lenz, gegeben hat. Ulrich Seidler 

Liebe, einfach außerirdisch 8., 9. Juli, 19.30 Uhr im Deutschen Theater, Restkarten an der Abendkasse, Info: 28 44 12 25 oder deutschestheater.de


Kunst: Führung zur „Koloniale Gegenwart“ im Humboldt-Forum

Welche Auswirkungen hat der Kolonialismus auf die heutige Gesellschaft? Am Sonnabend, um 18 Uhr findet im Humboldt-Forum die erste von vier einstündigen Führungen zur „Kolonialen Gegenwart“ statt und soll in dieser Frage für Aufklärung sorgen. Gezeigt werden ausgewählte Objekte aus den Sammlungen der ebenfalls im Humboldt-Forum angesiedelten Ausstellungen des Ethnologischen Museums und des Museums für Asiatische Kunst. Die Eröffnung beider Museen hatte für Diskussionen über die Rückgabe von Beutekunst und die deutsche Kolonial-Geschichte gesorgt. Erst vergangene Woche wurde eine Vereinbarung unterzeichnet, die Benin-Bronzen im Ethnologischen Museum an Nigeria zurückzugeben.

Eine der Benin-Bronzen im Ethnologischen Museum am Rande der Unterzeichnung der Absichtserklärung für Eigentumsübertragungen an Nigeria.
Eine der Benin-Bronzen im Ethnologischen Museum am Rande der Unterzeichnung der Absichtserklärung für Eigentumsübertragungen an Nigeria.Britta Pedersen/dpa

Die Besucherinnen und Besucher der Führung sollen sich nun anhand der Kunstwerke und deren Provenienz mit dem Ursprung und der Rückgabe von Kulturgütern an die einst auch von Deutschland kolonialisierten Länder auseinandersetzen. Friedrich Conradi

Die Führung ist öffentlich und kostet 8 Euro pro Person. Die Tickets können im Foyer des Humboldt-Forums oder vorab online unter humboldtforum.org gebucht werden.

Kunsthochschule Weißensee: 2000 Quadratmeter Semesterbilanz

In der Werkstatt der Weißenseer Mode-Studenten.
In der Werkstatt der Weißenseer Mode-Studenten.kh/Andreas Rost

Am Semesterende der Kunsthochschule Berlin-Weißensee heißt es vor den Sommerferien wieder „Rundgang“: Alle Sparten öffnen am 9. und 10. Juli gleich an vier Orten ihre Atelier- und Werkstatt-Türen. Die Studenten ziehen gewissermaßen ihre Jahres-Bilanz. Auf rund 2000 Quadratmetern Ausstellungsfläche geben sie Einblicke in die Arbeits- und Forschungsprozesse ihrer Einrichtung. Die Studienbereiche Malerei, Bildhauerei, Bühnen- und Kostümbild, Mode-Design, Produkt-Design, Textil- und Flächen-Design, Visuelle Kommunikation und Künstlerische Gestalterische Grundlagen sowie der Masterstudiengänge Raumstrategien und Kunsttherapie zeigen sich hier. Zugleich stellen 40 Absolventinnen und Absolventen der Malerei und Bildhauerei ihre Abschlussarbeiten vor, bevor sie sich aufs weite, auch ungesicherte Feld des freischaffenden Künstler-Daseins begeben. Die große Schau am Schöneberger Gleisdreieck heißt denn auch „Yet Yet“, das englische Adverb hat ambivalente Bedeutung, von „noch“ bis „dennoch“. Ingeborg Ruthe

Adressen: Kunsthochschule Bühringstr. 20, je 12–20 Uhr; Johannes-Itten-Str. 3, Aufgang C und D je 12–20 Uhr; Kunsthalle am Hamburger Platz, Gustav-Adolf-Straße 140, je 12–20 Uhr; Kühlhaus Berlin, Luckenwalder Str. 3, 8.–11. Juli, je 12–20 Uhr

KunstHaus Potsdam: Der Blitzz-Zustand des Performers

Reto Pulfers labyrinthische Raum-Installation aus handgefärbten Laken
Reto Pulfers labyrinthische Raum-Installation aus handgefärbten LakenRob Battersby

Egal, ob es am Sonntag (10. Juli) sonnenheiß ist, donnert oder regnet: Im KunstHaus Potsdam gibt es den Blitzz-Zustand des Künstlers Reto Pulfer zu erleben. Der Installationskünstler und Performer ist Jahrgang 1981, stammt aus Bern und lebt in der herb-malerischen brandenburgischen Endmoränenlandschaft Uckermark. Seine Ausstellung baute der Bildkünstler, Autor und Musiker als atmendes, organisches Gebilde: Aus handgefärbten und bedruckten Stoffen, getrockneten und lebenden Pflanzen, skulpturalen Arbeiten, Malereien und Zeichnungen entsteht eine immersive Landschaft. „Blitzz-Zustand“, so erklärt er es, sei die experimentelle Suche nach neuen – auch sinnlichen und körperlichen – Beziehungsweisen von Menschen und Umwelten; eine Suche, welche die Unterscheidung von Subjekt und Gegenstand, von Mensch und Umwelt problematisiert. Ingeborg Ruthe

KunstHaus Potsdam, Kunstverein, Ulanenweg 9, Mi–So 12–17 Uhr, Vernissage/Performance So 15 Uhr


Kino: „Corsage“ mit Regisseurin Marie Kreutzer

Wer heute „Sissi“ hört, denkt wahrscheinlich noch immer an Romy Schneider, doch das könnte sich demnächst ändern. RTL sendete im vergangenen Dezember bereits eine sechsteilige Miniserie, in der die Kaiserin willensstark und sexy in Szene gesetzt wurde. Netflix wird im September die Serie „The Empress“ über Elisabeths erste Wochen am Wiener Hof veröffentlichen, Frauke Finsterwalder bringt mit „Sisi und ich“ demnächst einen Film aus Sicht der Hofdame, gespielt von Sandra Hüller, ins Kino. In „Corsage“, der dieses Jahr in Cannes lief, spielt Vicky Krieps die Kaiserin mit 40. „Schön soll sie bleiben“ singen die Gäste zum runden Geburtstag, der Druck des realen und gesellschaftlichen Korsetts steigt stetig an. Marie Kreutzer zeichnet das Porträt einer Frau, die Bestätigung sucht und gleichzeitig verachtet, die politisch Einfluss nehmen will, sich nach Verständnis sehnt und selbst wenig aufbringen kann. Das gerät manchmal ein wenig plakativ, ist aber durchaus sehenswert und diskussionswürdig. Nach der Filmvorführung findet ein Gespräch mit der Regisseurin statt. Claudia Reinhard

„Corsage“ + Filmgespräch mit der Regisseurin, Sonnabend, 9. Juli, 18 Uhr im Kino International, hier sind Tickets ausschließlich für Yorck Unlimited-Mitglieder und ihre Begleitungen erhältlich.
Außerdem: Sonnabend, 9. Juli, 20.30 Uhr im Delphi Filmpalast, Tickets kosten 12 Euro


Kunst: Engel auf Pferderücken

Wo Ausstellungen über Mode historisch meist als kunstvolle Präsentation von Kleidungsstücken definiert worden sind, versuchten Diskurse um Mode in Kunst in der Regel, sie aus einer gedanklich-diskursiven Perspektive nachzuvollziehen – nicht mehr nur als materielle Manifestation aus Kleidung, die von leblosen Schaufensterpuppen getragen oder in verschlossenen Vitrinen präsentiert wird.

Im Vordergrund: Arbeiten der Künstlerin Hannah Sophie Dunkelberg
Im Vordergrund: Arbeiten der Künstlerin Hannah Sophie Dunkelbergmaximilian.schroeder

Diese beiden Welten – Kunst und Mode, Diskurs und Darbietung – zu vereinen, ist auch der Anspruch der von Claire Koron Elat und Shelly Reich kuratierten Ausstellung „Angels on Horseback“, die, ähnlich dem Austern-im-Speckmantel-Gericht, das es bezeichnet – Dinge zusammenbringt, die sonst nicht zusammen gedacht werden, zumindest nicht in einer so direkten und unapologetischen Weise.

Ein Anspruch, der gelingt und der die große Namen der zeitgenössischen Kunstwelt vereint. Darunter Ed Atkins, Hannah Sophie Dunkelberg, Jon Rafman, Gerhard Richter, Chloë Saï Breil-Dupont, Laura Schawelka, Lukas Städler und He Xiangyu.

Zu sehen in den Räumen von Lobe Block in der  Böttgerstraße 16, 13357 Berlin, bis Sonntag, 10. Juli.

Musik: Die Jazzwoche Berlin

Berlins freie Jazz- und Improvisationsszene steht seit Anfang dieser Woche in den Startlöchern. Anders als in den vergangenen zwei Jahren warten auf der diesjährigen Jazzwoche viele Live-Konzerte – die, wer Jazz kennt, bekanntlich den Kern dessen ausmachen, was an Jazz Spaß macht – auf das Publikum. Und anders als manch anderen, an einem Ort zentralisierten Festivals ist die Berliner Jazzszene in diesem Jahr zusätzlich dazu aufgerufen, sich aus den Clubs und Veranstaltungsorten zu präsentieren, wo sie auch sonst zu Hause ist.

Jazz-Musiker
Jazz-Musikerdpa

Mit hochkarätigen Teilnehmenden und vielversprechenden musikalischen Kombinationen haben sich die Jazzkeller und Open-Air-Locations der Stadt jetzt dieser Herausforderung gestellt. Diesjährige Highlights, die dieses Wochenende zu sehen sein werden, sind etwa: die Band Schick Kühn & Herstenstein im Peppi Guggenheim (8. Juli, 20 Uhr), die Humboldt Big Band im b-flat (9. Juli, 21 Uhr) sowie Queer Cheer im Donau115 (10. Juli, 19 Uhr). Let’s Jazz! Hanno Hauenstein


Musiktheater: Barrie Koskys Revue in der Komischen Oper

Das große Finale mit dem gesamten Ensemble der Revue in der Komischen Oper.
Das große Finale mit dem gesamten Ensemble der Revue in der Komischen Oper.Monika Rittershaus/Komische Oper/dpa

Das ist ein Tipp nur für ein paar Glückliche. Aber die muss es auch geben. Wem es gelingt, am Sonntag noch für eine der beiden Vorstellungen von „Barrie Kosky’s All-Singing, All-Dancing Yiddish Revue“ in der Komischen Oper Karten zu bekommen, wird noch lange davon zehren. Denn nicht nur am Premierenabend, bei jeder Vorstellung war die Stimmung im Saal beseelt und ausgelassen. Die auf Jiddisch mit englisch-deutschen Einsprengseln gesungenen Lieder von Muttertrost und Alterswitz, von ewiger Liebe und betrügenden Partnern sind ein Erlebnis, weil sie auf zauberhafte Weise arrangiert und inszeniert sind. Das Bühnenbild voll Glitzer, Glanz und Leuchteffekten, die bis weit über die Kitschgrenze übertriebenen Kostüme, die Rollen- und Geschlechterwechsel, Leidenschaft der Schauspieler und Tänzer: All das macht ein Gesamtkunstwerk aus.

Meine Kollegin Susanne Lenz beschrieb nach der Premiere das Bühnengeschehen wie eine Party: „Es wurde getanzt, gesungen, es wurden Witze erzählt, und zwar dermaßen unter der Gürtellinie, dass sie aufgrund des fehlenden Kontexts hier nicht wiedergegeben werden können.“ Im Programm steht zwar, dass die Aufführung am Sonntagabend die letzte in dieser Spielzeit sei, aber es ist die letzte überhaupt. Diese Revue hat Barrie Kosky als Abschiedsgeschenk an sein Publikum gedacht. Und deshalb darf zwischen all das Jauchzen auch ein Seufzer tropfen. Cornelia Geißler

All-Singing, All-Dancing Yiddish Revue, Sonntag, 10. Juli, 15 und 19.30 Uhr, Komische Oper, Behrenstraße 55-57. Nur Restkarten