Daniel Brühl in „Ich und Kaminski“: „Ich liebe die Berliner Entschleunigung“

Es ist 10 Uhr morgens, und Daniel Brühl braucht einen Cappuccino. Seinen zweiten heute Morgen, dabei wirkt er sehr wach. Sitzt auf der Sofakante in einem Charlottenburger Hotel, beantwortet Fragen zu seinen Filmen und seinem Leben, ein unkomplizierter Gesprächspartner, der sich schön aufregen kann und später, beim Autorisieren, kein einziges Wort zurücknehmen wird.

Das ist ungewöhnlich für einen deutschen Schauspieler, aber Daniel Brühl, in Barcelona geboren und in Köln aufgewachsen, ist ja auch nur halber Deutscher. Er hat eine Wohnung in Prenzlauer Berg und eine in Barcelona und spielt seit seinem Erfolg mit „Good Bye, Lenin!“ in mehr internationalen als deutschen Produktionen. Nach zwölf Jahren aber ist Brühl nun wieder zu seinen Wurzeln zurückgekehrt und unter der Regie des „Good Bye, Lenin!“-Regisseurs Wolfgang Becker in dem Film „Ich und Kaminski“ zu sehen.

Nach Ihrem Erfolg mit „Good Bye, Lenin“ hat Wolfgang Becker nun wieder einen Spielfilm gedreht …

… ja, er ist nicht der Schnellste.

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… und wieder mit Ihnen in der Hauptrolle. Wie war das nach all den Jahren?

Lustig und auch ein bisschen bizarr. Bei „Good Bye, Lenin!“ war ich ja echt noch ein Küken, und auch wenn es nicht mein erster Film war, war alles noch relativ neu. Damals ist viel passiert in meinem Leben. Ich bin wegen „Good Bye, Lenin!“ nach Berlin gezogen, weil ich mich so in die Stadt verliebt habe. Und Wolfgang und ich sind Freunde geworden. Durch den Altersunterschied hat das etwas von einer Vater-Sohn-Beziehung.

Wie ist das, mit einem Freund zu drehen?

Man steht am Drehort und denkt, wie komisch, wir kennen uns jetzt so gut, was den Vorteil hat, dass man sich leicht verständigen kann. Aber man kennt natürlich auch die Macken des anderen, und wir beide wissen genau, welchen Akkord man spielen muss, um den anderen auf die Palme zu bringen.

Welchen denn?

Ich habe definitiv ein Problem damit, dass ich viel zu schnell an die Decke gehe. Stimmungsschwankungen. Ich werde schnell unruhig, lasse mich schnell provozieren und werde dann aggressiv.

Kann man sich bei Ihnen gar nicht vorstellen.

Ja, weil mir bei „Good Bye, Lenin!“ der Stempel aufgedrückt wurde, dass ich der netteste Mensch der Welt bin, alten Leuten über die Straße helfe und Gurkengläser signiere, aber dem ist nicht so. Ich bin ein wahnsinnig nervöser, hibbeliger Mensch. Mir kann gar nichts schnell genug gehen.

Und Wolfgang Becker ist das Gegenteil? Ruhig, ausgeglichen?

Ja, irgendjemand hat mal gesagt: Wolfgang Becker ist barock. Das Zeitgefühl ist bei ihm ein anderes. Er hat einen sehr hohen Anspruch, und es dauert halt seine Zeit, bis er ein Projekt findet, das ihm zusagt, bei dem es ‚Klick‘ macht.

Wie hat es bei „Ich und Kaminski“ denn ‚Klick‘ gemacht? Wann hat Becker gefragt, ob Sie mitmachen?

In Fuerteventura, beim Tennisurlaub, hat er mir das erste Mal davon erzählt. Das ist bestimmt schon wieder fünf Jahre her.

Sie fahren zusammen in den Tennisurlaub?

Ja, ab und an.

Die Hauptfigur im Film ist ein eitler Journalist, der eine Biografie über einen alten Maler schreiben will und sich wünscht, dass der bald stirbt, damit das Buch ein Bestseller wird. Hat Becker gedacht, das ist genau das Richtige für den Brühl?

Der Typ ist ein unangenehmes Arschloch, aber es gibt so einige Züge, die schon was mit mir zu tun haben. Zum Beispiel Leute nachzumachen. Das ist etwas, was ich wirklich mit großer Leidenschaft mache, vor allem Wolfgang mache ich sehr gerne nach.

Ist Ihnen als Schauspieler schon einmal so ein unangenehmer Journalist wie der im Film begegnet?

98 Prozent der Journalisten sind völlig in Ordnung, aber in all diesen Jahren, und es sind ja inzwischen fast zwanzig, gab es schon so zwei, drei kuriose Gestalten, an die ich denken musste, und an denen ich mich bei den Dreharbeiten orientieren konnte. Einer kam aus Österreich, eine Karikatur von Schmierlappen. Alleine die Erscheinung, die fettigen Haare, wie er sich gekleidet hat und die Art, an Informationen heranzukommen, schrecklich.

Auch in Ihrem letzten Film, „Die Augen des Engels“ über den Mordfall Amanda Knox kommen Journalisten nicht gut weg. Zufall?

Ja. Zufall. Aber klar, wir leben in Zeiten, in denen man spürt, dass Qualität den Bach runtergeht. Da kann ich meine Branche aber gleich mit einbeziehen. Wer da alles meint, etwas zu können! Wer sich heutzutage alles Journalist nennt! Und was es alles für Formate gibt, was für lächerliche Zeitschriften und Online-Dinger! Und was für Schmierfinken da arbeiten! Kritiker, die keinen blassen Schimmer von Filmen haben! Vieles kann ich nicht mehr ernst nehmen, deshalb lese ich mir auch kaum noch etwas durch.

Sie lesen keine Kritiken?

Es gibt nur zwei Kritiker, die ich schätze und lese.

Welche sind das?

Will ich jetzt nicht sagen, ansonsten pinkelt man ja gleich jedem anderen Kritiker ans Bein.

Wenn Sie die Kritiken selbst nicht lesen, woher wissen Sie dann, wie ein Film besprochen wurde?

Ich muss es gar nicht wissen. Mir ist es wirklich egal. Egal geworden. Früher habe ich mir alles durchgelesen. Heute lese ich mir auch keine Kritiken zu anderen Filmen mehr durch. Ich versuche, das bewusst auszublenden. Damit ich die Filme ohne Vorbelastung schauen kann. Auch Lobhudeleien hasse ich. Weil der Film eigentlich dann nur schlechter sein kann als das, was du darüber gehört hast. Ich zähle nur noch auf mein ganz normales Umfeld.

Wer ist das?

Meine Mutter. Die ist relativ ehrlich und sagt auch, was ihr nicht gefällt. Oder meine Freundin und Freunde, die mit dem Beruf zu tun haben, mit denen man sich gut austauschen kann.

Wann haben Sie aufgehört, Kritiken zu lesen?

Das ist jetzt schon so drei, vier, fünf Jahre so. Es ging mit dem Internet los, ich habe gleich gespürt, dass sich das bei mir so falsch anfühlt, weil ich gar nicht weiß, was ich da mitteilen soll. Ich finde mich nicht wichtig genug, dass ich alles, was mir so an Stumpfsinn durch den Kopf geht, mit der Welt teilen muss. Das brauche ich nicht. Und ich verstehe auch nicht, warum so viele Leute das brauchen.

Also kein Facebook, kein Twitter?

Genau. Ich habe damals den fatalen Fehler gemacht, Kommentare von irgendwelchen frustrierten Leuten zu lesen, und da habe ich das Gift gesehen, das da verspritzt wird. Das ist mir bis jetzt noch schleierhaft, dass Leute unter jedem Interview, jedem Bericht ihren Senf dazugeben müssen. Das ist irre! Wirklich irre! Auch tragisch irgendwie! Was sind das für Leute?! Und als ich bösartigste Sachen las, dachte ich, da versaut man sich ja den Tag. Und dann hörte ich auch auf, Interviews und Kritiken zu lesen, weil ich das Gefühl hatte, da steht sowieso immer nur derselbe Käse drin. Es gibt natürlich auch Filme, die ich gemacht habe, mit denen ich nichts anfangen kann.

Gehört Ihr letzter Film „Die Augen des Engels“ von Michael Winterbottom dazu? Der wurde wirklich schlecht besprochen.

Den Film habe ich als Experiment gesehen. Manchmal geht man eben ein Wagnis ein, weil einen der Regisseur interessiert. So war das in diesem Fall. Da kann man sich meist schon vorher darauf einstellen, dass es am Ende etwas Merkwürdiges wird. Ich fand es auf jeden Fall super, mit Michael Winterbottom zu drehen, und ich mag den Film trotzdem, zumindest Teile davon.

Welchen Einfluss hat ein Schauspieler auf einen Film?

Nicht so großen. Da bist du limitiert, deshalb bin ich jetzt auch dabei, das zu ändern. Ich möchte meinen Einfluss ein wenig erweitern. Da habe ich richtig Bock drauf, das wird nichts Weltbewegendes werden, aber bestimmt sehr spannend.

Sie sind Schauspieler, Buchautor, Restaurantbesitzer. Mit zwei Wohnorten, Berlin und Barcelona. Und einem Namen, der so lang ist, dass man ihn ablesen muss: Daniel César Martin Brühl Gonzales. Das klingt, als hätten Ihnen Ihre Eltern von Geburt an viele Optionen mit auf den Lebensweg gegeben.

Eigentlich ist es ein ganz normaler Name. Daniel ist mein deutscher Vorname, César mein spanischer, mein Patenonkel heißt genauso. Martin ist die Kirche, in der ich getauft wurde, Brühl ist der Nachname meines Vaters und Gonzales der meiner Mutter. Das steht übrigens falsch im Internet. Genauso wie mein Geburtsort und meine Größe. Auch daran musste ich mich gewöhnen, dass meine Körpergröße und mein Name für immer falsch im Internet stehen werden.

Wie groß sind Sie denn?

Nicht 1,76 Meter, sondern 1,79 Meter. Und geboren wurde ich im Zentrum von Barcelona.

Wie haben sich Ihre Eltern kennengelernt?

Das ist eine lustige Geschichte. Mein Vater und seine Brüder kamen in den Fünfzigerjahren in ein kleines Dorf in Katalonien, das damals noch ganz unberührt und wunderschön war, am Meer und mit einer alten Burg auf einem Berg. Wenn ich die Fotos sehe, bricht es mir das Herz, weil jetzt natürlich wie überall an der spanischen Küste alles zugebaut ist. Franzosen hatten den Ort schon eher entdeckt, aber mein Vater und seine Brüder waren die ersten deutschen Urlauber dort, und alle drei haben in jenem Sommer dort Frauen kennengelernt, mein Vater eine Einheimische aus dem Ort, meine Onkel Französinnen. Und dann sind alle zusammen nach Köln gezogen. Das heißt, ich bin mit Cousins großgeworden, die halb französisch, halb deutsch sind, und ich bin halt der halbe Spanier.

Warum sind Ihre Eltern nach Köln gezogen und nicht in Spanien geblieben?

Die ganze Familie war in Köln. Mein Vater war beim WDR, hat hauptsächlich Dokus gemacht, aber auch Fernsehfilme. Mein Onkel Hein ist zum WDR-Hörfunk gegangen, mein Onkel Hartmut zur Deutschen Welle. Wir sind so richtig Kölner Klüngel. Einer meiner Cousins ist bei Vox, ein anderer Theater- und Opernregisseur, noch ein anderer Regisseur beim Hörfunk, mit dem habe ich letztes Jahr ein Hörspiel aufgenommen. Meine Schwester war lange Zeit in einer Dokumentarfilmfirma als Produzentin.

Was haben die Frauen aus Frankreich und Spanien dann in Deutschland gemacht?

Meine Mutter war in Spanien Lehrerin, hat aber nach dem Umzug nach Köln ihren Beruf aufgegeben. Ich glaube, gearbeitet hat keine von ihnen. Die haben sehr stark zusammengehangen, weil sie ja auch zusammen Deutsch lernen mussten. Die kamen aus diesen wunderschönen Städten – Paris, Toulouse und Barcelona – nach Köln, in den Fünfziger-, Sechzigerjahren, und konnten die Sprache nicht, das muss bizarr gewesen sein.

Leben die Frauen immer noch hier?

Ja, ja, wobei meine Mutter viel Zeit in Barcelona verbringt.

Und Sie, sind Sie hin- und hergerissen zwischen diesen beiden Welten?

Nein, für mich ist es eine Bereicherung, in zwei Welten zu leben. Wenn ich an einem Ort bin, lobe ich den anderen und vermisse ihn. Also wenn ich längere Zeit in Deutschland bin, muss ich unbedingt nach Spanien. Jetzt war ich gerade in Barcelona und habe mich total gefreut, weil ich dort meine Freunde und meine Mutter gesehen habe. Und mir geht dort immer das Herz auf, weil Barcelona echt auch Heimat für mich ist. Aber nach einer Weile vermisse ich Berlin.

Was vermissen Sie?

Meine Freunde, das soziale Umfeld, das Nachtleben. Es ist halt wahnsinnig viel los hier. Ich bekomme Einladungen zu Musikfestivals, Ausstellungen, Cluberöffnungen. Trotzdem hat Berlin diese Entschleunigung, diese Ruhe und ist viel langsamer als Madrid, Paris oder London. Auf der Londoner Oxford Street wirst du regelrecht umgerannt, weil das Tempo eben ein ganz anderes ist. Die Leute rasen, aber klar, die müssen auch viel arbeiten und viel Geld verdienen, um sich das Leben dort leisten zu können. In Berlin habe ich das Gefühl, ein Duracell-Hase zu sein, immer zu schnell. Das liebe ich aber auch an der Stadt. Meine spanischen Freunde sind auch total beeindruckt von der dörflichen Ruhe hier. Das ist eine unglaubliche Lebensqualität. Wenn ich auf der Leipziger Straße festhänge und mich darüber aufregen will, denke ich gleich, das ist doch ein Witz gegenüber dem Verkehr in jeder anderen Stadt Europas. Und dann Tegel! Gott hab ihn selig, diesen Flughafen! Dass du in 20 Minuten da sein kannst und zehn Minuten brauchst, um einzuchecken, einfach super!

Was vermissen Sie an Barcelona, wenn Sie in Berlin sind?

Das Licht. Ich bin jetzt gerade ein bisschen durch Südfrankreich gefahren und habe Familie besucht. Ich liebe es, wenn das Licht so durch die Platanen fällt, und diese typischen französischen Dörfer, und auch in Barcelona ist das Licht ein anderes, das Blau ist ein anderes Blau. Das vermisse ich, wenn ich in Berlin bin. Barcelona hat einfach das bessere Klima. Mir ist da die Temperatur fast schon egal, es kann auch kalt sein, aber ich brauche das Licht.

Dann ist der Winter in Berlin vermutlich ziemlich hart für Sie.

Ja, diese permanente Wolkendecke, das ist etwas, was ich nicht so gut vertrage. Einen Monat mal, wenn es schneit, das ist super, wenn man sich so richtig zu Hause einigelt und mit Freunden kocht, aber dann reicht es auch wieder.

Werden Sie immer weiter pendeln, oder sich irgendwann einmal für eine der beiden Städte entscheiden?

Wenn ich das Glück habe, alt zu werden, möchte ich meinen Lebensabend in Barcelona verbringen. Gerade jetzt habe ich wieder festgestellt, wie schön es ist, dass dort die alten Leute noch so integriert sind. Du setzt dich auf eine Bank oder gehst auf den Markt, und überall kommst du gleich mit Leuten ins Gespräch. Das liebe ich. Die Menschen sperren sich nicht so weg und verstecken sich nicht. Bei mir in Prenzlauer Berg ist alles schon sehr uniform, alle sind im gleichen Alter. Da freut man sich, wenn man mal einen alten Menschen sieht.

In dem Film „Ich und Kaminski“ spielen mehr alte Schauspieler mit als sonst in zehn Filmen. Im Abspann erfährt man, dass zwei der Darsteller nach den Dreharbeiten gestorben sind. Wie ist das für Sie?

Na ja, man sieht daran, wie schnell es gehen kann. Es war eh erstaunlich, wie fit die beiden noch waren, als wir gedreht haben. Jacques Herlin zum Beispiel war schon sehr schwach und alt und hat auch mal den Text vergessen, aber andererseits hat er so genau auf den Punkt gespielt und wusste genau, wie er seine Schwächen kaschieren kann. Das war sehr beeindruckend.

Hat das etwas Tröstliches im Zeitalter von plastischer Chirurgie und Botox, zu erleben, dass man auch im Alter als Schauspieler noch mitmachen kann?

Ja, na klar. Ich meine, bei Männern ist es ja zum Glück noch nicht so pervers wie bei Frauen, die schon in jungem Alter meinen, bestimmte Schritte gehen zu müssen. Aber genügend langgezogene Männer habe ich auch schon gesehen, gerade in Hollywood. Da ist schon das ein oder andere Gesicht dabei, wo ich dachte: Hola, manchmal geht es echt schief! Aber der Beruf hält einen schon frisch, wenn man sich nicht in diese Routine verliert, sondern neugierig bleibt. Viele in diesem Beruf resignieren, sind depressiv, hängen an der Flasche. Aber es gibt auch einige, gerade Damen, mit denen ich gearbeitet habe, die im hohen Alter noch sowas von jung geblieben sind, auch sexy. Wenn ich da zum Beispiel an Helen Mirren denke. Da kann man nur hochachtungsvoll zuschauen und denken: Ja, hoffentlich ist man auch so lange dabei.

Sie haben in „A Most Wanted Man“ an der Seite von Philip Seymour Hoffman gespielt. Kurz darauf ist er an einer Überdosis Heroin gestorben. Wie erinnern Sie sich an die Begegnung und die Arbeit mit ihm?

Philip war ein Vorbild für mich, mein größtes Vorbild, muss ich wirklich sagen. Und es war ein Glück, ihm so ein bisschen nahezukommen. Wir hatten zwei wunderschöne Abende in meiner Tapas-Bar in Berlin. Er hat den Laden geliebt und hat mir noch eine Widmung in das Gästebuch geschrieben.

Hat Sie sein Tod überrascht?

Ja, also man hat ihm natürlich angesehen, dass er etwas Brüchiges und Fragiles hatte, das war ja auch das Interessante an ihm. Und an seiner Leibesfülle sah man ja auch, dass er nicht einer der typischen Hollywood-Beaus ist, die nur im Fitnessstudio rumhängen. Ich hatte auch von Drogengeschichten gehört, aber komischerweise hatte ich das Gefühl, dass es ihm ganz gut geht. Er hat nicht getrunken und so, und als er mit dem Film auf dem Festival in Sundance war, habe ich noch mit Anton Corbijn, dem Regisseur, gesprochen und gefragt, wie der Film ankommt und wie es Philip geht. Der meinte: Superstadium, und dann zwei Wochen später kam die Nachricht von seinem Tod.

Später tauchten Aufnahmen auf, die ihn kurz vor seinem Tod auf dem Flughafen New York zeigen, er war völlig fertig, konnte nicht laufen und musste im Rollstuhl geschoben werden. War er so ein guter Schauspieler, dass man ihm seine Heroinsucht nicht angemerkt hat?

Vielleicht bin ich naiv, aber ich dachte, bei dieser Droge ist man ganz schmal, also das Gegenteil von ihm. Ich habe wirklich nichts gesehen, was mich irritiert hätte.

Hat sein Schicksal auch etwas mit dem Beruf des Schauspielers zu tun?

Ob dir so etwas passiert, hat vor allem damit zu tun, wo du herkommst, also was so passiert ist in deinem Leben und mit deinem Charakter und deiner Festigkeit. Aber dass dieser Beruf für Unstabile sehr ungesund ist, ist natürlich klar. Die Schauspielerei ist nichts, was dir Beständigkeit gibt. Alles ist sehr unvorhersehbar und sehr extrem. Du hast den Rausch, den Erfolg, aber dann auch wieder Ruhephasen, wo du keine Aufträge bekommst und sofort denkst, jetzt ist kompletter Stillstand. Und permanent ist Halligalli um dich herum. Natürlich wird wahnsinnig viel getrunken und sonst noch was. Wenn man da nicht gefestigt ist und ein gutes soziales Umfeld hat, ein echtes Leben, ein Privatleben, was einen immer wieder zurückholt, ist es schon einfach, sich darin zu verlieren, genug Beispiele gibt es ja.

Wie kriegen Sie dieses Leben hin?

Ich wurde von Anfang an von meinem Vater gewarnt. Der hat immer gesagt, wie furchtbar das enden kann, wenn man sich zu sehr in diese Welt fallen lässt, und ich habe dieses In-ein-Loch-fallen auch nie so extrem gespürt wie andere Kollegen. Selbst wenn ich mich als Schauspieler extrem in eine Rolle reinhänge, finde ich danach schnell wieder ins Leben zurück.

Das Interview führte Anja Reich.