Das dröhnende Schweigen in der Akademie der Künste
Bei einem Akademie-Gespräch verbalisierten Sasha Marianna Salzmann, Svetlana Lavochkina und Sergei Loznitsa ihre künstlerische Hilflosigkeit in Kriegszeiten.

Die Frage, wie Kultur und Kunst den Krieg beeinflussen könnten, sei sinnlos, sagte der ukrainische Filmregisseur Sergei Loznitsa beim Akademie-Gespräch am Dienstagabend am Pariser Platz. Kunst und Kultur seien hilflos und die ersten Opfer des Krieges. Andersherum müsse man sich fragen, wie der Krieg die Kultur beeinflusse. Wie er durch das Internet scheinbar Unbeteiligte mit in seine Konflikte ziehe, wie er Entscheidungen erzwinge und durchboxe, wie er Nuancen vernichte, die für die Kunst so wichtig seien – oder auch die Künstler, wie zum Beispiel den litauischen Filmemacher Mantas Kvedaravicius, der vor ein paar Tagen während seiner Arbeit an einem Dokumentarfilm in Mariupol umkam. Loznitsa erbat für den 45-Jährigen eine Schweigeminute, die niederschmetternd dröhnte – gemessen an dem, was man so sagen kann, wenn man als Künstler nach Statements zum Krieg gefragt wird.
Die Schriftstellerinnen Svetlana Lavochkina und Sasha Marianna Salzmann sowie der Politikwissenschaftler und Osteuropaexperte Volker Weichsel fassten ihre Sprachlosigkeit in Worte und bezeugten ihre Hilflosigkeit angesichts der Kriegsverbrechen Putins, die an diesem Abend in einem vorgelesenen Statement des in Charkiw ausharrenden Schriftstellers Serhij Zhadan widerspruchslos als Genozid bezeichnet wurden: „Wir wissen, dass die Russen kommen, um uns zu töten. Wir wissen, dass sie uns töten, weil wir Ukrainer sind. Die Russen plündern, vergewaltigen, quälen und vernichten Ukrainer nur deshalb, weil sie Ukrainer sind. Das ist ein Genozid in der reinsten Form. Jeder, der eine Rechtfertigung oder Erklärung für das Verhalten der Russen sucht, versucht nichts anderes, als den Genozid zu rechtfertigen.“
Immerhin könne man mit der Kunst auf das Individuum einwirken, sagte Loznitsa, der Anfang März skandalöserweise als „Kosmopolit“ und mangels nationalistischer Festigkeit von der ukrainischen Filmakademie ausgeschlossen wurde. Man könne dem Zuschauer in seinem Sessel Situationen vor Augen führen, in denen er sich fragt, wie er reagieren würde. Eine Gebrauchsanweisung für Heldentum meint er damit nicht. Man muss nur sein Meisterwerk „Donbass“ (2018, derzeit bei filmfriend.de streambar) ansehen, das in den besetzten Gebieten in der Ost-Ukraine spielt und zeigt, wie erbärmlich, brutal, unverständlich, banal und im tödlichen Sinn des Wortes kulturlos der Alltag unter Kriegsbedingungen ist.