Miss Merkel und die Wärmehalle

Der Erfolgsschriftsteller David Safier lieferte bislang zwei Kuschelschmunzelkrimis, in denen Angela weitermerkelt.

Angela Merkel war von 2005 bis 2021 deutsche Bundeskanzlerin. Foto: Fabian Sommer/dpa
Angela Merkel war von 2005 bis 2021 deutsche Bundeskanzlerin. Foto: Fabian Sommer/dpadpa/Fabian Sommer

„Wir“, hieß es, würden sie noch vermissen. Bald ein Jahr ist das her, aber bei mir stellt sich kein Phantomschmerz ein. Obwohl die Zeiten seitdem wahrlich nicht besser wurden, stehe ich kalt abseits der Trauergemeinde. Selbige ist riesig; groß genug jedenfalls, dass der Erfolgsschriftsteller David Safier ihr therapeutische Lektüre lieferte – bislang zwei Kuschelschmunzelkrimis, in denen Angela weitermerkelt, für eine Uckermark, in der sie gut und gerne lebt.

Dortselbst verzehrt die Protagonistin nicht nur ihre Rautenregentinnenrente. Sie ermittelt auch als „Miss Merkel“ nach dem Bilde von Agatha Christies Hobbydetektivin, assistiert vom Lebenskameraden und Quantenchemiker Joachim. Sie nennen sich „Puffel“ und „Puffeline“, „Sherlock“ und „Sherlockine“, so süß. Das Traumpaar ist Inhaber eines Mopses. Der wird in künftigen Auflagen nicht mehr „Putin“ heißen, weil, so der Autor, kein Hund diesen Namen verdient hätte. Nun also „Pupsi“. Dazu ein Verbrauchertipp: Die Geschichten sind weder in großer Schrift gedruckt noch auf bissfestem, laminiertem Karton. Sie richten sich, anders als etwa „Das Alpaka muss Kacka“, an Erwachsene, anscheinend solche, die sehr, sehr jung geblieben sind.

Das perfekte Ambiente, um Merkel zu vermissen

Es sind Bestseller. Das erste Buch hat RTL soeben verfilmen lassen, mit Katharina Thalbach in der Hauptrolle. Ein Sendetermin steht noch nicht fest. Bitte lasst es im Winter sein: Dann soll es in den Städten ja „Aufwärmhallen“ geben für energierechnungstechnisch vulnerable Personen. Dort sollte man den Film sehen können. Unbedingt, und solange der Strom reicht. Es wäre das perfekte Ambiente, um Angela Merkel zu vermissen.

Klar, das klingt gemein. Dabei sage ich gar nicht, Merkel wäre an allem schuld. Aber mich erstaunt schon, dass der Markt für Beweihräucherwaren selbst jetzt nicht zusammenbricht. Große Teile des Publikums sind offenbar weiterhin entschlossen, Angela Merkel nicht als Politikerin zu betrachten, sondern wie eine lieb gewonnene, weil unprätentiöse, fleißige, pfiffige und gütige Fernsehfigur, auf deren Abenteuer sich nach der letzten Serienstaffel schwerlich verzichten lässt.

Sie ließ die Wirklichkeit so freundlich-mildbunt wirken

Dabei bedarf es einer titanösen Verdrängungsleistung, um davon abzusehen, dass das Puffelinchen 16 Jahre lang Regierungen anführte, die, bei aller Liebe, doch eventuell am Rande ein wenig mit der Verwahrlosung der Infrastruktur und dem Zustand der sogenannten Bundeswehr zu tun gehabt haben könnten. Mit der atemberaubenden Aufblähung staatlicher und staatlich geförderter Institutionen. Mit der „Digitalisierung“. Mit der, höflichst formuliert, inkonsistenten Migrationspolitik. Oder als justament zu besichtigende Krönung: mit einer in aller strategischen Unschuld orchestrierten Energiewende.

Ich bewundere jeden, der diese Abstraktion zu vollbringen vermag. Es ist das passende Dankeschön an eine Helikoptermutti, die alles gab, um die Zumutungen der Welt von den Schutzbefohlenen fernzuhalten. Sie ließ die Wirklichkeit so freundlich-mildbunt wirken wie das Pastell ihrer Blazer.

Hoffentlich hat es Safiers Schlussszene in den Film geschafft: Eine Hartz-IV-Empfängerin benennt darin ihren Neugeborenen nach Miss Merkel – „Ángel“, „Spanisch für Engel“ – worauf selbige „den Glückstränen freien Lauf“ lässt. Die Wärmehalleninsassen weinen mit. Ihnen wird so heiß ums Herz, dass man die Heizung abstellen kann.