Umzug des Berliner Verlags an den Alex: Mein alter Hausausweis aus DDR-Zeiten
Gegendert wurde damals nicht, die Postleitzahl der Karl-Liebknecht-Straße lautete 102 Berlin, und es wurde auf Russisch gebeten, den Ausweis-Inhaber zu unterstützen.

Die Berliner Zeitung zieht aus einer stillen Ecke in Kreuzberg zurück an den Alexanderplatz. Dorthin, wo viele von uns schon gearbeitet haben. Sogar in dieselbe Etage, in der sich zuletzt die Redaktion befand, bis Anfang 2017. Nostalgie bekommt nun eine andere Richtung, bezieht sich plötzlich auf die Zukunft.
Zu Hause habe ich eine Holzkiste, in der ich Dinge aufbewahre, die für mein Leben mal sehr bedeutend waren. Ich musste also nicht lange nach meinem ersten Hausausweis des Berliner Verlags suchen, der gleichzeitig als Presseausweis diente.
Es ist ein schmaler rechteckiger rot eingebundener Ausweis, in goldfarbenen Großbuchstaben steht PRESSE darauf, drinnen mein Foto, der Stempel des Berliner Verlags, in dessen Mitte das Ost-Berliner Stadtwappen mit der stilisierten Mauerkrone über dem Bären, das bis zur Wiedervereinigung galt. Berufsbezeichnung: Redakteur. Ans Gendern war damals nicht zu denken. Ich bekam den Ausweis irgendwann im Sommer 1990. Am 6. August hatte ich angefangen, als erste Westlerin nach der Wende. Die DDR existierte noch.
„Wir bitten, dem Inhaber dieses Ausweises bei der Durchführung seiner journalistischen Aufgaben jede Form der Unterstützung zu gewähren“, heißt es auf der rechten Seite in vier Sprachen; neben Deutsch sind das Russisch, Englisch und Französisch. In dieser Reihenfolge. Darunter Berliner Verlag – 102 Berlin , es ist die alte DDR-Postleitzahl, Karl-Liebknecht-Str. 29. Die dreistellige Postleitzahl weist darauf hin, dass der Vordruck für den Ausweis aus der Zeit vor 1979 stammt. Erst danach wurde im Zuge der Einführung der elektronischen Datenverarbeitung ein oder zwei Nullen an zwei- oder dreistellige DDR-Postleitzahlen angefügt, um sie vierstellig zu machen. Das macht den Ausweis noch historischer als er ohnehin schon ist! Unterschrieben hat den Ausweis Fritz Wengler, der stellvertretender Chefredakteur der Berliner Zeitung war. Anfang Januar ist er in Berlin gestorben.
Ich war auf diesen Ausweis unglaublich stolz.