Der Antisemitismusexperte Meron Mendel hat sein Angebot, die Documenta bei der Aufarbeitung des Antisemitismus-Skandals zu beraten, zurückgezogen. Die Leitung der Documenta fifteen hatte angekündigt, den Vorfall aufzuarbeiten und die Schau mit mehreren Expertinnen und Experten für Antisemitismus, darunter auch Mendel, auf weitere antisemitische Darstellungen zu prüfen. Nun habe man aber, so die Bildungsstätte Anne Frank, zu viel Zeit untätig verstreichen lassen und „weder geeignete Rahmenbedingungen geschaffen noch ein angemessenes Tempo an den Tag gelegt“. Nun stehe man in der Debatte über Antisemitismus und Rassismus vor einem Scherbenhaufen. Meron Mendel, Direktor der Bildungsstätte, sagte: „Mir drängt sich der Eindruck auf, dass hier auf Zeit gespielt werden sollte, bis die Documenta fifteen vorüber ist.“
Bildungsstätte Anne Frank: Fronten zwischen den Positionen verhärten sich
Den Dialog will der deutsch-israelische Historiker und Professor für soziale Arbeit Mendel aber dennoch nicht aufgeben. Die Bildungsstätte Anne Frank werde „die Auseinandersetzung weiter vorantreiben – mit unterschiedlichen Veranstaltungen und pädagogischen Angeboten speziell für Aufklärung zu Antisemitismus und Rassismus im Kulturbetrieb“. Die Debatte habe sich, so die Bildungsstätte in einer Pressemitteilung, weiter verschärft, da man sich zunehmend in den Positionen – Antisemitismus-Kritik und Israelsolidarität einerseits und Rassismus- und Postkolonialismuskritik andererseits – verschanze. Vor der Enthüllung des Transparents hatte Mendel das Kuratorenkollektiv Ruangrupa wiederholt gegen Antisemitismusvorwürfe verteidigt.
Auch die Filmemacherin und Autorin Hito Steyerl ist mit der Aufarbeitung des Antisemitismusskandals unzufrieden. Die wohl prominenteste Künstlerin auf der Schau forderte die Documenta zum Abbau ihres Kunstwerks auf. Steyerl in einer englischsprachigen E-Mail, die Zeit Online vorliegt, an die Leitung der documenta: „Ich werde nicht weiter an der documenta teilnehmen. Ich habe den Glauben in die Fähigkeit der Organisation zu vermitteln und zu übersetzen verloren und will die organisatorische Verantwortungslosigkeit im Umgang mit antisemitischen Darstellungen im Zentrum der Ausstellung nicht weiter unterstützen.“ Dem Spiegel sagte Steyerl, dass Meron Mendels Rückzug der Auslöser ihrer Entscheidung war.
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Am 20. Juni wurde auf der Weltkunstschau ein Kunstwerk mit offen antisemitischer Bildsprache ausgestellt: Das Großformat-Gemälde des indonesischen Künstler-Kollektivs Taring Padi im Zentrum der Ausstellung zeigt einen orthodoxen Juden mit SS-Runen auf dem Hut. Eine weitere Figur auf dem Banner hat einen Schweinerüssel und trägt ein Halstuch mit Davidstern darauf. Auf der Stirn der Figur ist die Aufschrift „Mossad“ zu lesen.