Berlin-Wahlkampf: Die Partei verunglimpft Bild von Alan Kurdi

Wie schon 2017 nutzt Die Partei das Bild des ertrunkenen Kleinkindes Alan Kurdi für „satirischen“ Wahlkampf. Das ist Beleg ihrer andauernden Belanglosigkeit.

Bild des gestrandeten Leichnahms von Alan Kurdi als Wahlreklame für Die Partei.
Bild des gestrandeten Leichnahms von Alan Kurdi als Wahlreklame für Die Partei.Twitter, Gollaleh Ahmadi, @GollalehA

Manche Bilder gehen nicht mehr aus dem Kopf. Das Alan Kurdis ist so ein Bild. Alan Kurdi, wir erinnern uns: ein zweijähriger kurdischer Junge, der mit seiner Familie aus kurdischen Gebieten Syriens geflohen war. Das Foto, das ihn zeigt, nachdem er im September 2015 im Mittelmeer ertrunken und in der Nähe Bodrums an die türkische Küste gespült worden war, machte international Schlagzeilen.

In Deutschland wurde es zum Symbolbild für jene europäische Krise, die als Flüchtlingskrise in die Geschichte einging. Alan Kurdis Familie hatte wie so viele andere versucht, über die Türkei nach Europa zu gelangen. Das Foto, aufgenommen von der Journalistin Nilüfer Demir, verbreitete sich rapide online und trug wohl mit dazu bei, dass Menschen sich auch in Deutschland, zumindest zeitweise, für das Leid Geflüchteter empfänglich zeigten.

Gleichzeitig wurde das Bild immer wieder Objekt künstlerischer oder politischer Effekthascherei: So ließ sich etwa der chinesische Künstler Ai Weiwei an der türkischen Küste ablichten – in einer Pose, die gewollt an Alan Kurdi erinnerte. Die Aktion löste moralische Entrüstung aus, viele nannten sie pietätlos. Dabei war sie von Ai als Akt intendiert, der die andauernde Not Geflüchteter ins Bewusstsein rufen sollte.

Höhepunkt an Geschmacklosigkeit

Auch die deutsche Satirepartei Die Partei bediente sich Alan Kurdis Schicksal. Bereits 2017 zeigte ein an Geschmacklosigkeit schwer zu übertreffendes Wahlplakat den Jungen, mit dem Wahlspruch versehen: „Für einen Strand, an dem wir gut und gerne liegen“ (eine zynische Anspielung an den damaligen CDU-Slogan: „Für ein Deutschland, in dem wir gut und gerne leben“). Kritik an dem Plakat wurde von Parteichef Martin Sonneborn damals zurückgewiesen.

Ein Denkprozess, was verantwortungsvollen Umgang mit – in den Augen vieler Betroffener verletzenden oder triggernden – Bildern angeht, hat bei der Partei bislang offenbar nicht eingesetzt. Im Zuge der Berlin-Wahl tauchte jetzt wieder ein Wahlplakat auf, das Alan Kurdi zeigt, diesmal mit dem Slogan „Sozialtourist?“ versehen.

Unten rechts wird ein CDU-Logo angedeutet, untersetzt vom Die-Partei-Logo. Man muss nicht lange nachdenken, um die Anspielung an Friedrich Merz’ Kommentare zu erkennen, der im Herbst ukrainischen Geflüchteten „Sozialtourismus“ unterstellte und mit seinem „kleine Paschas“ im Zuge der sogenannten Integrationsdebatte nachlegte.

Dass rassistische und xenophobe Tendenzen in der CDU von der Satirepartei ironisch reflektiert werden, wäre ja begrüßenswert. Die CDU hat dafür jeden Zentimeter Spott verdient. Sich zu diesem Zweck Bildern toter Geflüchteter zu bedienen – zumal Jahre später –, ist allerdings nicht lediglich geschmacklos. Es erzielt den sprichwörtlich gegenteiligen Effekt.

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