Covid, Zensur und Willkür: Der PEN dokumentiert die Lage der Meinungsfreiheit

Die Namen nennen als Mittel gegen das Vergessen: Die internationale Schriftstellerorganisation berichtet über ein Jahr von Chaos und Gewalt.

Die Friedenspreisträgerin des Deutschen Buchhandels, Tsitsi Dangarembga, wird in ihrer Heimat Simbabwe wegen einer Demonstration angeklagt.
Die Friedenspreisträgerin des Deutschen Buchhandels, Tsitsi Dangarembga, wird in ihrer Heimat Simbabwe wegen einer Demonstration angeklagt.dpa

Dieser Bericht ist „eine Momentaufnahme dieses krisengebeutelten Jahres“, heißt es im Vorwort der vom PEN International jetzt veröffentlichten politischen Chronik des Jahres 2021. „Chaos. Konflikt. Straflosigkeit“ ist die „Case List“ (Aufstellung der Fälle) überschrieben. Der Titel deutet die unterschiedlichen Bedrohungen des freien Wortes in der Welt an: von Afghanistan über Eritrea bis nach Mexiko.

Der Bericht beginnt mit der Covid-19-Pandemie: Während in manchen Ländern Publizisten als Verbreiter von Falschnachrichten mundtot gemacht wurden, war Corona anderswo Vorwand, um politische Proteste zu unterdrücken. Der bekannteste Fall ist der von Tsitsi Dangarembga in Simbabwe, der wegen einer Zwei-Personen-Demonstration vorgeworfen wurde, gegen Hygieneauflagen verstoßen zu haben. Mindestens zwei Schriftsteller starben an dem Virus im Gefängnis, dokumentiert der PEN, Aron Atabek aus Kasachstan und Bakhtash Abtin aus dem Iran.

Der Anschlag auf Peter de Vries

Auch in anderen Fällen nennt der PEN Schriftsteller und Journalisten mit Namen, die wegen ihrer Arbeit inhaftiert oder ermordet wurden. Das sind kleine Versuche, sie vor dem Vergessen zu bewahren. Als die Taliban in Afghanistan wieder an die Macht kamen, wurden in Kabul innerhalb eines Tages zwei PEN-Mitglieder erschossen, Abdullah Atefi und Dawa Khan Menapal. Während in der Türkei, in Myanmar oder China staatliche Stellen ihre Macht ausüben, wurde in den Niederlanden der investigative Journalist Peter R. de Vries Opfer eines Racheakts. In einzelnen Kapiteln widmet sich die Untersuchung den Kontinenten. In Europa sind mit Belarus und Russland zwei Länder hinzugekommen, in denen die freie Meinungsäußerung massiv unter Druck steht.

Auf der Webseite des PEN steht die 2021er-„Case List“ noch nicht. Verbreitet wird das Material seit Donnerstag vom PEN-Zentrum Deutschland, zusammengefasst und unterzeichnet von der neuen Writers-in-Prison-Beauftragten Cornelia Zetzsche. In den vergangenen Wochen seit der tumultartigen Tagung in Gotha verschickte das deutsche PEN-Zentrum bereits mehrere Einzelmeldungen zu bedrohten Kollegen. Die Botschaft ist in doppelter Hinsicht deutlich. Sie dient den Betroffenen und soll auch zeigen, nach all den Querelen komme man zur eigentlichen Arbeit zurück.

Und so sind auch kleine Erfolge zu vermelden. Nachdem das PEN-Zentrum Belarus im August vom Obersten Gerichtshof des Landes aufgelöst wurde, setze es seine Arbeit andernorts fort, heißt es. Das deutsche PEN-Zentrum habe den Dichter Zmicier Vishniou und seine Familie in Sicherheit bringen können. Auch der Regierungskritiker und Bestsellerautor Kakwenza Rukirabashaija, der in Uganda verschleppt und gefoltert worden war, fand als Writer in Exile Zuflucht in Deutschland.

Die Ukraine kommt nur am Rande vor

Der erst im Juni gegründete PEN Berlin, der den Whistleblower Julian Assange und den in Russland zur Fahndung ausgeschriebenen Schriftsteller Dmitry Glukhovsky gleich zu seinen Ehrenmitgliedern ernannt hat, verschickte ebenfalls am Donnerstag eine Meldung. In einer Online-Veranstaltung in Zusammenarbeit mit der Friedrich-Naumann-Stiftung soll es am kommenden Montag um die prekäre Lage von Autorinnen und Autoren sowie die Zivilgesellschaft in der Ukraine gehen. Die Situation dort hat in dem aktuellen Bericht von PEN International nur am Rande Erwähnung gefunden. 2022 ist auch kein gutes Jahr.