Diesseits und jenseits der Genitalien: Wer den Cis-Mann erfunden hat

In den Duden hat es der Begriff noch nicht geschafft, in den Genderstudies gehört er zum Standardvokabular. Ohne die Alpen würde es ihn vielleicht nicht geben.

Manneken Pis in Brüssel.
Manneken Pis in Brüssel.imago/J.D. Dallet

Wenn man im Online-Duden die Worte Cis-Mann oder Cis-Frau eingibt, bekommt man die Meldung: Leider gibt es für Ihre Suchanfrage im Wörterbuch keine Treffer. Dabei ist es Jahre her, dass der Frankfurter Sexualwissenschaftler Volkmar Sigusch diesen Begriff erfunden hat, als Pendant zu Trans-Mann oder Trans-Frau. Denn, so schrieb er in seinem Werk „Sexualitäten. Eine kritische Theorie in 99 Fragmenten“: „Die einen sind ohne die anderen gar nicht zu denken.“

Der Begriff Cis-Gender gehört heute zum Standardvokabular in den Genderstudies und arbeitet sich allmählich in die Alltagssprache vor. Sogar Elyas M’Barek weiß inzwischen, dass er ein Cis-Mann ist, wie er der Berliner Zeitung kürzlich sagte. Der Begriff bezeichnet Personen, deren Körpergeschlecht und Geschlechtsidentität zusammenfallen. Um beim Beispiel Elyas M’Barek zu bleiben: Er wurde im Körper eines Mannes geboren und fühlt sich als einer.

Sigusch: Transsexualismus rückt Cissexualismus ins Zwielicht

In einem Interview mit der Zeit erklärte der 1940 geborene Volkmar Sigusch vor einigen Jahren, wie er auf den Cis-Begriff gekommen ist; „Ich kam darauf, weil es die Wendungen ‚transalpin‘ und ‚cisalpin‘ gibt, die ‚jenseits der Alpen‘ und ‚diesseits der Alpen‘ bedeuten. Jetzt also auch: jenseits und diesseits der Genitalien. Mit anderen Worten: Wenn es Cissexuelle gibt, dann muss es auch Transsexuelle geben. Das heißt, die sind ganz normal.“

Sigusch ist in der DDR zur Schule gegangen und hat später in Frankfurt am Main das Institut für Sexualforschung aufgebaut, das nach seiner Emeritierung 2006 geschlossen wurde. Er aber forschte weiter und immer verknüpfte er Gesellschaft, Kultur und Sexualität: „Das Neo-Logische am Transsexualismus ist, dass er sein eigentlich immer schon logisches Gegenstück, den Cissexualismus, grundsätzlich ins Zwielicht rückt. Indem der Transsexualismus beweist, dass auch die Geschlechtlichkeit ein kulturell Zusammengesetztes und psychosozial Vermitteltes ist, fallen Körpergeschlecht und psychosoziale Geschlechtsidentität bei den ‚Normalen‘, die bisher die einzig ‚Gesunden‘ waren, nicht mehr fraglos zusammen.“ Dass das ans Eingemachte geht, war ihm bewusst.