Kann man dem Papst mit Federschmuck kulturelle Aneignung vorwerfen?

Bilder kann man nicht kontrollieren. Das gilt für das der lachenden SPD-Politiker in Kiew, für die Model-Bilder des Ehepaars Selenskyj und das vom Papst.

Papst Franziskus in Kanada
Papst Franziskus in KanadaAP/The Canadian Press/Nathan Denette

Das Ehepaar Selenskyj in der Vogue, SPD-Abgeordnete beim Sekt auf einem Balkon in Kiew, der Papst mit indigenem Federschmuck in Kanada – das sind die Bilder, die diese Woche produziert hat. Sie sagen viel über die Macht der Bilder und ihre Neigung, sich von dem Kontext zu lösen, in dem sie entstanden sind. Sie senden dann womöglich ganz andere Botschaften aus, als die, die ihre Macher oder Auftraggeber beabsichtigt haben mögen. Bilder lassen sich nicht kontrollieren, sie führen ein Eigenleben. Bilder sind wie Flaschengeister.

Dürfen die Selenskyjs mitten im Krieg wie Models posieren? Ist es ein Schlag ins Gesicht für die leidenden Ukrainer, oder ist es ein Akt stolzen Widerstands gegen Russland, gegen die Bilder, die Putin produziert? Die Sekt trinkenden deutschen Sozialdemokraten auf dem Balkon sind nach Kiew gefahren, um sich solidarisch zu zeigen, der Sekt ist eine Geste der Gastfreundschaft von Vitali Klitschko, dem Bürgermeister der Stadt. Er steht mit seinen Gästen auf dem Balkon seines Amtssitzes, auch er lacht. Ist das eine Geste des Trotzes oder darf man nicht lachen im Krieg?

Das Bild des Papstes mit Federschmuck ist nicht unschuldig

Das dritte Bild ist das des Papstes mit dem Federschmuck. Das Oberhaupt der katholischen Kirche war in Kanada, um sich bei den indigenen Völkern dafür zu entschuldigen, dass Bedienstete der katholischen Kirche in ihren Internaten über Jahrzehnte indigene Kinder missbrauchten und folterten. Er hielt eine ergreifende Rede, danach setzte ihm Wilton Littlechild, das Oberhaupt der Ermineskin Cree Nation, einen bunt bestickten Kopfschmuck mit langen weißen Federn auf. Es war eine Geste der Versöhnung, ein Zeichen dafür, dass man die Entschuldigung wertschätzt, wenn nicht akzeptiert. Die Menge applaudierte.

Wer den Kontext berücksichtigt, kann von kultureller Aneignung nicht sprechen. Aber in diesen Zeiten identitätspolitischer Diskussionen hat das Bild seine Unschuld schon in dem Augenblick verloren, als es veröffentlicht worden ist.