Revolution mit Franziska Giffey: Berlin baut Barrikade an der Friedrichstraße

Zum 175. Jahrestag der 1848er-Revolution soll es eine künstlerische Intervention geben, die jedoch vor allem an aktuelle Verkehrsstreitereien gemahnt.

Historisches Bild zur Märzrevolution: jubelnde Revolutionäre nach Barrikadenkämpfen am 18./19. März 1848. Hier allerdings in der der Breiten Straße.
Historisches Bild zur Märzrevolution: jubelnde Revolutionäre nach Barrikadenkämpfen am 18./19. März 1848. Hier allerdings in der der Breiten Straße.Wikipedia

Der Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier nebst Gattin sowie die nochregierende Bürgermeisterin Franziska Giffey zeigen uns Demokratieverdrossenen und Debattenmuffeln mithilfe der Kulturprojekte Berlin einmal, wie Mitbestimmung richtig geht. Anlässlich des 175. Jahrestages der Märzrevolution richten die Genannten am 18. März ein Berliner Wochenende der Demokratie aus, mit allem Pipapo: Informationen, Performances, Gespräche, interaktive Führungen und etwas, das bescheiden umschrieben ist mit dem Begriff: künstlerische Intervention im Stadtraum.

Damit ist nichts anderes gemeint als die Errichtung einer Barrikade. „Mit ihr“, so heißt es in der Pressemitteilung von Montag, „rückt ein Stück Demokratiegeschichte als neue Art der kollektiven Erfahrung wieder auf die Karte.“ Und weil das Ganze historisch wahrheitsgetreu sein soll, schichten sie dieses gloriose Verkehrshindernis an einem Originalschauplatz auf, nämlich dort, wo sich die Jägerstraße mit der Friedrichstraße kreuzt.

Die Anfang Februar aufgebauten Sitzelemente könnten doch noch Verwendung finden... 
Die Anfang Februar aufgebauten Sitzelemente könnten doch noch Verwendung finden... dpa

Genial! Nichts könnte den Kampf um Mitbestimmung besser ins heutige Bewusstsein heben und zugleich an die hitzigen Debatten der Gegenwart anschließen. Was hat Berlin in den letzten Monaten mehr bewegt oder in stoische Duldungsstarre fallen lassen als die Diskussion um die Organisation des Verkehrs ebendort in der Friedrichstraße? Manch einer dachte, dass mit diesem Streit um symbolisch hochgejazzte Nebensächlichkeiten eher der Niedergang der Demokratie markiert wäre, und versteht nun vielleicht besser, dass diese Nebensachen wahlentscheidend und also lebensbestimmend sein können. Vielleicht wäre es geboten, auch im Sinne der Nachhaltigkeit, die seit Kurzem so traurig und verloren herumstehenden, autoverkehrshemmenden Straßenmöbel auf der Friedrichstraße mit einzubauen?

Aber ganz nebenbei zeigen die politischen Schwergewichte den vergleichsweise subtil vorgehenden Mitgliedern der Letzten Generation und ihren über alle verbalen Stränge schlagenden Widersachern, wo der Hammer hängt. Eure Sitz- und Sekundenkleberblockaden sind Kindergarten angesichts der revolutionären Wucht, mit der vor 175 Jahren gekämpft wurde. Ihr macht Glasscheiben vor Kunstwerken oder die Gesetzestafeln am Kanzleramt schmutzig, wo die, auf deren Barrikaden wir unsere Gesellschaftsordnung gebaut haben, alles in Scherben gelegt haben. Die anheizende Lektion dieses Reenactments lautet also: Weiter voran, und traut euch mal was, ihr Westentaschenrevolutionäre und Wochenenddemokraten! Aber auch: Habt euch nicht so, wenn ihr mal ein bisschen belästigt werdet, ihr Neobiedermeierluschen!