Olympia-Werbung von heute verwendet Bilder von Leni Riefenstahl
Das Internationale Olympische Komitee (IOC) wirbt mit einem kurzen Film für die Spiele – und bedient sich kräftig bei dem wohl berühmtesten Propagandafilm.

Berlin-So richtig rund läuft es ja nicht mit den am Freitag beginnenden Olympischen Spielen in Tokio. Unlängst wurde beschlossen, dass sie pandemiebedingt ohne Publikum ausgetragen werden müssen, und nun droht die komplette Absage. Das jedenfalls mochte zuletzt Organisationschef Toshiro Muto nicht ausschließen.
Da kann ein bisschen Selbstaufmunterung nicht schaden, haben sich wohl die Verantwortlichen des IOC gedacht und einen kurzen Werbefilm aufgelegt. Im Mittelpunkt des Clips steht die 100-jährige ungarische Turnerin Agnes Keleti, die bei Olympia insgesamt fünf Goldmedaillen gewonnen hat. In dem Film fungiert sie als Zeitzeugin. „Einhundert Jahre. Ein Leben. Eine Olympionikin. Was sah Agnes in ihrem Jahrhundert?“ wird mit sporttypischem Pathos gefragt. Es folgen einige klassische Höhepunkte der Olympia-Geschichte, zum Beispiel der berühmte Barfuß-Lauf des Äthiopiers Abebe Bikila. Der amerikanische Sprinter Jesse Owens ist ebenfalls zu sehen. Agnes Keleti habe mit eigenen Augen gesehen, wie Owens als Enkel von Sklaven die Freiheit neu definierte, heißt es im Text.
Oha. Das zeugt von zumindest fragwürdigem Geschichtsbewusstsein. Owen gewann als schwarzer Läufer und Weitspringer bei den Olympischen Spielen 1936 in Berlin. Die Definition der Freiheit stand im Zeichen dessen, was heute als paradigmatische Form politischer Propaganda gilt.
Aber es sind nicht nur die blumigen Worte, die diesen Clip als seltsames Machwerk erscheinen lassen. Nicht nur die Bilder von Jesse Owens stammen aus Leni Riefenstahls Olympia-Film. So wird ein Turmspringer aus „Fest der Schönheit“ kunstvoll gegengeschnitten zu den Sprüngen später antretender Akteure.
Es ist keine Neuigkeit, dass Hitlers Propagandistin die Sportbildästhetik nachhaltig geprägt hat. Der unkritische Gebrauch ihrer Bilder für einen Werbeclip des IOC zeugt nicht nur an dieser Stelle von der unreflektierten Skrupellosigkeit des Olympia-Weltverbandes. Der Vater und mehrere Onkel von Agnes Keleti wurden übrigens 1944 in Auschwitz ermordet.