Kuscheltiere auf dem Rasen: Türkische Fans fordern Rücktritt von Erdogan

Mit den aufs Spielfeld geworfenen Kuscheltieren drücken türkische Fans nicht nur ihre Solidarität mit den Erdbebenopfern aus. Was sollen die Plüschwesen sagen?

Während eines Erstligaspiels zwischen Besiktas und Antalyaspor schmeißen Fans Kuscheltiere auf das Spielfeld.
Während eines Erstligaspiels zwischen Besiktas und Antalyaspor schmeißen Fans Kuscheltiere auf das Spielfeld.AP

Körper fliegen durch die Luft, schlenkern mit ihren Extremitäten, klatschen auf den Boden und bleiben in verknäulten Haufen liegen, die Arme von sich gestreckt, die Gesichter im Gras oder die Knopfaugen ins Leere blickend. Es handelt sich um Kuscheltiere, aber jeder, der einmal eins an sein Herz gedrückt hat, wird sich mit ihnen identifizieren.

Und darin findet das Bild zu seinem Thema: Fans des türkischen Erstligisten Besiktas warfen am Sonntag im Spiel gegen Antalyaspor massenweise Plüschspielzeuge auf das Feld. Und zwar in der fünften Spielminute, genauer: als auf der Anzeigentafel 4:17 erschien. Am 6. Februar um vier Uhr siebzehn bebte in der Grenzregion zwischen der Türkei und Syrien die Erde zum ersten Mal, nachmittags noch einmal, über 50.000 Menschen mussten sterben.

Politische Willensbekundungen brauchen immer wieder neue Bilder, hier wurde eins gefunden, das auf direkte und sinnliche Weise wirkt. Ausgedrückt werden soll nicht nur die Solidarität mit den Opfern, an die die verletzlichen und wehrlosen Wesen erinnern. Sondern es ist auch eine Geste des Protests, begleitet von gerufenen Rücktrittsforderungen gegen die Regierung und gegen Erdogan, der sich im Mai wiederwählen lassen will.

Immer wieder wurde berechtigte Kritik laut, dass sich die Katastrophe durch schlechte Vorbereitung, durch Korruption im Bauwesen, aber auch durch ungerechte Verteilung der Hilfe verschlimmert hat. Und es gibt noch einen dritten Aspekt, der sich in den Kuscheltieren ausdrückt, nämlich der Wille zur Kritik und die Wucht der Masse, die sie formuliert.

Man kannte Kuscheltierwürfe bis jetzt vor allem von jüngeren Popmusikfans (ältere gehen dann zu Unterwäschewürfen über), die ihre Zuneigung mit dem Idol ausdrücken wollen, indem sie ihr Liebstes mit ihm teilen. Wenn es gut läuft, nimmt der Sänger oder die Sängerin das Geschenk an und drückt es an sein Herz, dann fühlt es sich für den Werfer so an, als würde er selbst gedrückt.

Im Stadion aber räumen Ordner, Schiedsrichter und Fußballspieler mit betretenen Gesichtern die Teddys, Plüschhasen und Schlenkerpuppen hinter die Auslinie, damit das Spiel zu Ende gebracht werden kann. Wie um zu sagen, dass es Wichtigeres gibt als Fußball, endete es mit einem Null-zu-Null. Man möchte sich nicht vorstellen, was nach dem Spiel mit den Kuscheltieren passiert ist, aber mit Blick auf viele Kinderzimmer wird die Munition so schnell nicht verschossen sein.