Cancel Culture: Beckett-Inszenierung untersagt, weil nur Männer mitspielen

Die Verbotskultur treibt alte und neue Blüten. In Groningen darf „Warten auf Godot“ nicht aufgeführt werden. Wer hat solchen Quatsch zu verantworten? 

Der irische Dramatiker und Literaturnobelpreisträger Samuel Beckett.
Der irische Dramatiker und Literaturnobelpreisträger Samuel Beckett.Konrad Giehr/dpa

Weil zu einem Casting nur Männer eingeladen wurden, hat nun ein Kulturzentrum im niederländischen Groningen die Aufführung einer Inszenierung von Samuel Becketts „Warten auf Godot“ untersagt. Jenes Stück, in dem zwei Clowns die Zeit totschlagen, während sie auf jemanden namens Godot warten. Es handelt sich um einen eher kleinen, universitätsinternen Streit, der nun öffentlich gemacht und von der dpa verbreitet wurde. Und der die Absurdität von Regeln und Verboten in künstlerischen Zusammenhängen schön deutlich macht.

Die englischsprachige Theatergesellschaft der Universität Groningen sieht sich in einer Zwickmühle gefangen, denn auf der einen Seite hat der 1989 gestorbene Beckett gerichtlich verfügt, dass die Männerrollen in dem Stück nur von Männern gespielt werden dürfen. Und wer spielt mit in dem existenziell absurden Nachkriegsstück? Wladimir, Estragon, Pozzo und Lucky – alles Männer oder als männlich markierte Clowns. Sogar der Bote Godots, der jeweils am Tagesende auftritt und verkündet, dass sein Herr heute nicht, aber ganz bestimmt morgen komme, ist männlich, wenn auch noch kein Mann, aber erst recht keine Frau. Auf der anderen Seite hat sich das Kulturzentrum klare Regeln auferlegt, um die Benachteiligung von weiblichen Menschen zu vermeiden. „Es gehe nicht an, dass Gruppen von Menschen ausgeschlossen würden“, sagte eine Sprecherin des Zentrums der dpa.

Der 26-jährige Regisseur Oisín Moyne kommt sich nun so vor, als sei er „in einem absurden Traum gelandet“, wie er der Zeitung Dablad von het Noorden im Interview sagte, was natürlich eine hübsche Pointe ist und seinem Namen Ruhm und Ehre einträgt. Seine Theatergruppe sei klein, und man wolle das Risiko, von der Stiftung, die Becketts Rechte verwaltet, verklagt zu werden, nicht eingehen. Schade, schade, Schokolade. 

Jetzt hacken bestimmt alle auf dem politisch korrekten Kulturzentrum und der neuen Cancel Culture herum, dabei war es doch der irische Literaturnobelpreisträger selbst, der angefangen hat, identitätspolitische Regeln und die absurde Bedingung aufzustellen, Theaterfiguren geschlechterkonform spielen zu lassen, wo doch das Theater auf dem Prinzip des Als-ob beruht und jeder alles spielen dürfen soll. Wir schlagen in unserer Kompromissfreude vor, einfach eine weibliche Rolle hineinzuschreiben, sie darf aber nicht zu früh auftreten: Sie heißt Madame Godot.


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