Vorsicht, Verstörungsgefahr! Eine Triggerwarnung aus Kiew

Ein Bekannter aus der Ukraine hat per Facebook Fotos vom Krieg gepostet. Manche Bilder sind verdunkelt: Achtung, sensibler Inhalt! Doch diese Wahl haben nur wir.

Eine verwundete Frau in Chuguiv
Eine verwundete Frau in ChuguivAFP/Aris Messinis

Gestern Abend postete ein Bekannter aus Kiew auf Facebook eine Art fotografisches Kriegstagebuch. Ich bin jedes Mal erleichtert, wenn es einen neuen Post von ihm gibt, denn das bedeutet, dass er noch am Leben ist. Es ist mir peinlich, von meinem Posten im sicheren Berlin aus ständig nach seinem Wohlergehen zu fragen. Aber zurück zu dem Tagebuch.

Die Fotos hat der griechische Fotograf Aris Messinis gemacht, er arbeitet für die französische Nachrichtenagentur AFP. Jetzt ist er als Kriegsfotograf in der Ukraine unterwegs. Eines der Fotos zeigt ein mehrgeschossiges Haus, dessen Seitenfront eine Rakete weggerissen hat. Nun kann man in die Wohnungen hineinblicken, denen eine Wand fehlt. Man sieht einen Heizkörper, die Rückseite einer Schrankwand, einen Bücherstapel. Ein Setzkasten der Zerstörung.

Hinter der Triggerwarnung verbirgt sich ein Toter unter einer Plastikplane

Beim Weiterklicken wird der Bildschirm schwarz. Eine Triggerwarnung in Form eines durchgestrichenen Auges erscheint: sensitive Content – sensibler Inhalt. Das Foto könnte also Gewalt zeigen oder andere Dinge, die man nicht sehen möchte, weil sie einen verstören könnten. Es braucht dann einen Extra-Klick, damit die Verdunklung verschwindet. Ein Foto zeigt eine Leiche, über die jemand eine schwarze Plastikplane gelegt hat. Nur eine bleiche Hand schaut unter der Plane hervor. Um den leblosen Körper herum stehen orange-weiße Kegel, wie man sie benutzt, um ein Verkehrshindernis zu markieren. Ein merkwürdiges Detail gibt es noch: Auf dem Bordstein neben dem Toten steht ein Milchkarton. Ein Mann geht vorbei.

Es ist Facebook, das das Foto hinter eine dunkle Wand stellt. Teilweise passiert das automatisch, teilweise sind es sogenannte Cleaners, die etwa in den Philippinen sitzen und verhindern, dass so ein Bild einem einfach so vor die Augen kommt. Man soll wählen können, ob man sich diesen Inhalten aussetzt. Diese Wahl habe nur ich, haben nur wir im sicheren Berlin. Die Ukrainer können sich weder vor dem Anblick der Gewalt schützen noch vor der Gewalt selbst.