Besserer Sex durch Cannabis: Hat man high mehr Spaß im Bett?
Studien legen nahe, dass Frauen ihr Liebesleben durch Cannabis-Konsum verbessern können. Männer sollten aus einem bestimmten Grund jedoch vorsichtiger sein.

Seit die Ampelkoalition in Aussicht gestellt hat, in dieser Legislaturperiode Cannabis zu legalisieren, wurde ziemlich viel diskutiert. Meist darüber, ob und wenn ja, wie gefährlich Cannabis ist, und für wen.
Ich will nicht sagen, dass diese Debatte irrelevant ist. Denn: Junge Menschen, deren Gehirn noch nicht fertig entwickelt ist, sollten wirklich nicht kiffen. Vor allem nicht regelmäßig und viel. Das tut ihnen nicht gut und dass sich das herumspricht, ist wichtig. Trotzdem ist die aktuelle Debatte um Cannabis auch ziemlich einseitig. Sie wird in erster Linie defensiv geführt und sie läuft immer nach demselben Muster ab. Wie eine alte Schallplatte, die einen Kratzer hat:
Meist konservative Legalisierungsgegner aus Politik, Wissenschaft und aus Teilen der Strafverfolgungsbehörden mahnen und führen die immer gleichen, größtenteils widerlegten Argumente an. Meist weniger konservative Legalisierungs-Befürworter, ebenfalls aus Politik, Wissenschaft, den Strafverfolgungsbehörden, der Justiz, und Vertreter der einschlägigen Verbände versuchen dann anhand von Daten und Studien zum hundertsten Mal zu erklären, was an diesen Argumenten nicht stimmt. Journalisten und Journalistinnen befördern diesen Schlagabtausch im Sinne einer vermeintlichen Neutralität, die davon ausgeht, dass man immer alle Meinungen gleichwertig abbilden muss. Auch solche, die erwiesenermaßen Nonsens sind.
Brechen wir also zur Abwechslung mal aus dieser Debatte aus. Cannabis hat nämlich auch Vorteile. Nicht immer sind diese schon gut genug erforscht; das wiederum ist eine Folge der Prohibition.
Ist Cannabis ein Aphrodisiakum?
Fast 60 Jahre lang wurde Cannabis von der Weltgesundheitsorganisation als sogenannte Schedule-IV-Substanz geführt. In diese Kategorie fallen Drogen, die „besonders anfällig für Missbrauch und schädliche Wirkungen“ sind und die „keine wesentlichen therapeutischen Vorteile“ haben. Beides trifft nicht zu. Wie es trotzdem zu dieser Einschätzung kam, hat die Freiburger Historikerin Helena Barop in ihrem Buch „Mohnblumenkriege“ anschaulich ausgeführt. Mit rationalen Argumenten und gesundheitlichen Fragen hatte diese Klassifizierung relativ wenig zu tun. Dafür sehr viel mit diffusen Ängsten und rassistischen Ressentiments. Für die wissenschaftliche Erforschung von Cannabis jedenfalls hatte diese Stigmatisierung verheerende Folgen. Wenn die Forschung mit Cannabis nicht gänzlich verboten war, dann war sie nur mit kompliziert zu erlangenden Sondergenehmigungen möglich, finanzielle Förderung gab es kaum. THC, also der high machende Hauptbestandteil von Cannabis, wurde erst 1964 zum ersten Mal überhaupt isoliert.
Warum ich das nun alles so ausführlich in einer Liebe-&-Sex-Kolumne erzähle? Weil ein Vorteil von Cannabis sein könnte, dass man high besseren Sex hat. Das gilt vor allem für Frauen. Zumindest behaupten das zahlreiche anekdotische Berichte. „Sex while high on weed“ heißt beispielsweise ein Reddit-Thread mit 325 Einträgen. Sex unter dem Einfluss von Cannabis wird dort von vielen in den höchsten Tönen gelobt.
„Wenn wir uns nach ein paar Hits high fühlen, müssen die Klamotten runter. Jeder Kuss, jede Berührung, die Erregung, alles ist viel intensiver“, schreibt der User, der den Thread begonnen hat. „Unsere Orgasmen sind unglaublich. Sie dauern viel länger, wenn wir high sind, und wir kommen auch viel öfter.“ Die Antworten, die darauf folgen, sind nicht alle positiv, aber wenn doch, dann wiederholen sie sich: Die Haut sei empfindlicher für Berührungen, es falle leichter, im Moment zu bleiben und gedanklich loszulassen, man sei entspannter und weniger befangen oder gehemmt. Die richtige Dosis könne einen Orgasmus, vor allem für Frauen, intensivieren und luststeigernd sein.
Solche anekdotischen Berichte sind nicht neu. Bereits 1971 lobte der mittlerweile verstorbene amerikanische Astronom Carl Sagan in einem Essay, Cannabis „erhöhe die Freude am Sex“, führe zu einer „exquisiten Sensibilität“ und zögere den Orgasmus hinaus. Ist Cannabis also ein Aphrodisiakum? Und sollte das nicht mal ein relevanter Aspekt von Legalisierungsdebatten sein?
Bessere Orgasmen, weniger Schmerzen
Auch hier gilt: Besagter Effekt ist aus oben genannten Gründen noch nicht gut genug erforscht. Cannabisforschung gibt es, wie gesagt, bislang kaum, und Studien zu weiblicher Lust haben nun auch nicht gerade höchste Priorität. Dafür ist wahrscheinlich auch unerheblich, dass die Anwendung von Cannabis in der Geburtshilfe als Mittel, das Schmerzen lindert, Wehen verbessert und Blutungen stillt, durch alle Kulturen geht und bis in die Geschichte Mesopotamiens zurückreicht.
Die wenigen wissenschaftlichen Untersuchungen, die es zum Zusammenhang von Lust und Cannabis gibt, sind Befragungen von Konsumenten und Konsumentinnen. Diese wiederum sind ungenau: Weder lassen sich die Angaben der Befragten überprüfen, noch weiß man, welche Sorte und welche Menge Cannabis sie in welcher Form zu sich genommen haben. Unklar ist auch, was „besserer“ oder „guter“ Sex letztlich bedeutet, einfach deshalb, weil das vermutlich für jede Person unterschiedlich oder auch tagesformabhängig ist. Auch sind Lust und Sex generell schwierig zu erforschen, weil hier nie nur ein einzelner Faktor eine Rolle spielt.
Trotzdem: Eine solche Befragung stammt von der amerikanischen Gynäkologin Becky K. Lynn. Sie ist Expertin für Sexualmedizin und Menopause und lehrt an der Saint Louis University School of Medicine. 2019 hat sie 373 Frauen an einer Gynäkologischen Klinik in Missouri zur Wirkung von Cannabis befragt. 34 Prozent der befragten Frauen gaben an, vor dem Sex Marihuana zu konsumieren. Und die Mehrheit dieser Konsumentinnen sagte, der Cannabiskonsum habe ihr sexuelles Verlangen gesteigert, ihre Orgasmen verbessert und zu weniger Schmerzen geführt.
Der Zusammenhang liegt nahe, wie Experten und Expertinnen sagen. Der menschliche Körper stellt eine natürliche Version von Cannabinoiden her, die so genannten Endocannabinoide. Nur deshalb haben wir überhaupt Rezeptoren, an die extern zugeführte Cannabinoide andocken können. Einige dieser Rezeptoren, wie die Amygdala oder der Hypothalamus, sind auch für sexuelle Funktionen zuständig. Auch in der Haut und den Nervenbahnen gibt es körpereigenen Cannabinoidrezeptoren, die zum Beispiel an der Schmerzwahrnehmung beteiligt sind.
Cannabis wirkt nicht auf alle Menschen gleich
Eine Onlinebefragung aus Kanada von mehr als 200 Frauen und Männern, publiziert im Journal of Sexual Medicine, ebenfalls aus dem Jahr 2019, kommt zu ähnlichen Ergebnissen. Fast 60 Prozent derer, die Cannabis konsumieren, gaben an, der Konsum steigere ihre Lust. Knapp 74 Prozent sagten, der Sex sei besser. Allerdings sagten weitere 16 Prozent, der Sex sei in machen Aspekten besser, in anderen schlechter. Und knapp fünf Prozent sagten, der Sex sei schlechter. Unter anderem habe der Konsum von Cannabis sie müde und weniger konzentriert gemacht. Hinzu kommt auch: Cannabis bekommt einfach nicht allen Menschen gleich gut.
Nach Angaben der amerikanischen International Society for Sexual Medicine sind vor allem bei Männern nicht alle Berichte positiv. Dort ist auch von weniger Lust, Erektionsstörungen, Schwierigkeiten, überhaupt zum Höhepunkt zu kommen oder von vorzeitigem Samenerguss die Rede. Auch wurde Cannabiskonsum schon mit verringerter Spermienbildung in Verbindung gebracht.
Was aus diesen - wenn auch dürftigen - Ergebnissen sowohl für Männer als auch Frauen gefolgert wird, ist auch hier wie so oft: Weniger ist mehr. Und: safety first.
Wer komplett breit in der Ecke liegt, kann sich womöglich nur schwer zum Sex aufraffen. Auch kann Cannabis in zu hoher Dosis ängstlich oder paranoid machen, was ebenfalls nicht förderlich ist. Sexuellen Handlungen vollumfänglich zustimmen kann nur, wer noch bei Sinnen ist. Ein sicherer Rahmen und ein vertrauter Partner, mit dem klare Kommunikation möglich ist, sind für solche Experimente besser geeignet, als ein One-Night-Stand mit einer fremden Person. Mischkonsum ist generell nicht die beste Idee, wenn man mitkriegen will, was um einen herum passiert.
Fünf Milligramm THC sind eine Dosis, die amerikanische Experten und Expertinnen zum Einstieg empfehlen. Von da aus könne man bei Bedarf langsam steigern. Passgenau dosieren lässt sich der THC-Gehalt mit entsprechenden Tinkturen oder Verdampfern, und nur, wenn man weiß, welchen THC-Anteil eine Blüte enthält. Dazu braucht es genaue Inhaltsangaben und geschultes Verkaufspersonal, das Kunden und Kundinnen auch in Bezug auf geeignete Sorten beraten kann. In Kanada oder in den USA ist das möglich. Dort ist Cannabis zu medizinischen Zwecken mittlerweile in 37 der 48 Bundesstaaten, und der so genannte Freizeitgebrauch für Erwachsene in insgesamt 18 Bundesstaaten legal.
In Deutschland bleibt bis zur Legalisierung nur eine Möglichkeit: Der illegale Kauf bei einer Person, die in der Regel selbst nicht genau weiß, wie viel THC letztlich in der Cannabisblüte oder im Haschischkanten enthalten ist. Und das kann’s ja wohl auf Dauer einfach nicht sein.