Indios als Joker und geopferte Jungfrauen: Wie kolonialistisch sind Brettspiele?
„Siedler“, „Afrika“, „Jenseits von Theben“ – in unseren Gesellschaftsspielen geht es oft sehr rustikal zu. Steht auch hier ein Wandel bevor?

Berlin-In dem Brettspiel „Jenseits von Theben“ wetteifern die Spieler darum, als Archäologen in Ägypten und Mesopotamien wertvolle Fundstücke zu entdecken, um mit Vorträgen und Ausstellungen in Europa Punkte zu sammeln. Bei „Puerto Rico“ werden alle zu Kolonisten, die als Siedler, Baumeister, Händler oder Goldsucher ihre Waren nach Spanien verschiffen. Im Spiel „Afrika“ bewegt jeder seine Figuren quer durch den „schwarzen Kontinent“, um Rohstoffe abzubauen. Störende „Nomadenvölker“ werden einfach versetzt. Dagegen dienen in „Amazonas“ die Indios als eine Art Joker – denn sie warnen die Forscher vor den Gefahren des Dschungels.
Während des Corona-Hausarrests wurde so manche Brettspielsammlung neu entdeckt, und gerade in den Strategiespielen geht es häufig darum, Länder zu besetzen, Rohstoffe zu fördern und Gewinne zu machen. Nicht immer aber wird bei den historischen Hintergründen aus der Perspektive von Europäern agiert. Im Spiel „Die Prinzen von Machu Picchu“ etwa versuchen alle, das Heiligtum vor der Eroberung durch die Spanier zu retten – und opfern dabei Lamas und Jungfrauen.
Sklavenhandel und schwarze Würfel
Es war nur eine Frage der Zeit, dass sich Dekolonialisierungsaktivisten dieses Feld vornehmen. Ins Visier geriet der italienische Spieleautor Daniele Tascini und seine erfolgreiche Serie „Marco Polo“. Dabei stieß manchen Spielern auf, dass die Arbeitskräfte, die der Fernreisende unterwegs zukaufen kann, mit schwarzen Würfeln symbolisiert wurden – sie wurden als schwarze Sklaven interpretiert.
Der Verlag „Hans im Glück“ will das in einer Neuauflage ändern. Doch sind all die Brettspiele über die frühkapitalistische Aufteilung der Welt deshalb kolonialistisch und rassistisch – oder spielen sie nicht die historischen Verläufe und Mechanismen verblüffend genau nach und ermöglichen so Einblicke und Perspektivwechsel?
Das Spiel „Colony“ reist durch 500 Jahre Amerika seit Kolumbus und wird sogar im Schulunterricht eingesetzt. Wenn in „Jenseits von Theben“ Kunstschätze nach Europa geholt werden, wäre es also Zeit für ein Spiel, in dem es Punkte für gelungene Restitutionen gibt.