Der 17. Juni schlägt alles: Wie viele Straßen in Deutschland sind nach einem Datum benannt?

Kein Datum hat in Deutschland so vielen Straßen und Plätzen seinen Namen verliehen wie der 17. Juni. Eine Übersicht, an welche Daten unsere Städte noch so erinnern.

Alle Illustrationen: Roshanak Amini für Berliner Zeitung am Wochenende

Eine der monumentalsten Straßen in Berlin ist die Karl-Marx-Allee. Der Name dieser Straße war besonders in der Vergangenheit nicht ganz unumstritten. Am 22. Dezember 1949 haben DDR-Offizielle der Straße den Namen Stalinallee gegeben. So blieb es auch lange nach dem Tod des sowjetischen Autokraten im Jahr 1953, eine Kuriosität für die DDR, die Teil des Ostblocks war. Man muss nämlich wissen: Die „Entstalinisierung“ des öffentlichen Raums fand nach 1956 in der ganzen Sowjetunion und auch in großen Teilen Osteuropas statt, mit Ausnahme der DDR und Albaniens. Erst im November 1961 wurde ein Teil der Stalinallee in Frankfurter Allee umbenannt und ein anderer Teil in Karl-Marx-Allee.

Straßennamen tragen dazu bei, die Identität einer Stadt sowie historische Haltepunkte zu definieren. Sie spiegeln Ideologien und die Erinnerungskultur der Städte wider. Dies gilt insbesondere für Straßen, die nach historischen Daten benannt sind.

Keinem anderen Datum wurden in Deutschland mehr Straßen und Plätze gewidmet als dem 17. Juni, in Erinnerung an den Aufstand der Ost-Berliner Arbeiter im Jahr 1953, der auf einer Baustelle in der damaligen Stalinallee begann. In Berlin tragen eine Straße und ein Platz den Namen des 17. Juni. In ganz Deutschland sind es sogar 19 Orte.

Viele weitere Daten sind auf Straßenschildern im ganzen Land zu finden. Solche „Datumsstraßen“ markieren lokale, nationale und globale Ereignisse. Sie verweisen auf Aufstände, Kriege, Friedensverträge, Unfälle und Naturkatastrophen, Feiertage. Wir haben Berliner Straßennamen mit Datumsbezug ausgewertet und geben hier einen Überblick.


Datumsstraßen in Berlin: „Independence Day“ liegt im Westen

Die Straße des 17. Juni und der Platz des Volksaufstandes von 1953 in Tiergarten/Charlottenburg (Straße) bzw. Mitte (Platz) wurden nach einer Streik- und Protestwelle benannt, die am 17. Juni 1953 in Ost-Berlin stattfand.

Der Name des Platzes des 18. März in Mitte bezieht sich auf zwei Ereignisse: die Märzrevolution 1848 in Berlin und die Volkskammerwahl von 1990, die erste Wahl in der DDR nach demokratischen Grundsätzen.

Der Platz des 23. April in Köpenick ist in Erinnerung an den Einzug der 1. Gardepanzerarmee und der 8. Gardearmee der sowjetischen Streitkräfte am 23. April 1945 benannt.

Der Platz des 4. Juli in Lichterfelde diente als Paradeplatz für die dort stationierten Truppen der US-Armee und erhielt am 4. Juli 1976 anlässlich des Unabhängigkeitstages (Independence Day) der USA seinen heutigen Namen.

Der Platz des 9. November 1989 in Prenzlauer Berg ist nach dem Tag des Mauerfalls benannt.


Datumsstraßen deutschlandweit: Der 17. Juni schlägt alles

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Neunundfünfzig Straßen und Plätze
in Deutschland sind nach einem Kalendertag benannt. Keiner davon liegt im September oder Dezember.

Die folgende Grafik zeigt die Aufteilung der 59 Datumsstraßen in Ost- (gelb) und Westdeutschland (violett), basierend auf den Daten, nach denen sie benannt wurden. Jedes Datum in der Tabelle ist nach der Art des historischen Ereignisses, auf das es sich bezieht, eingefärbt.

Hauptsache revolutionär: Woran erinnern die 59 Datumsstraßen Deutschlands?


Um die Welt

Die Praxis, Straßen nach Kalenderdaten zu benennen, ist weltweit sehr unterschiedlich. Während es in einigen Ländern keine Straßen gibt, die nach einem Datum benannt sind, gibt es in anderen Ländern, wie z. B. in Deutschlands Nachbarland Frankreich, zahlreiche davon. Fast 20 Prozent aller Datumsstraßen auf der Welt sind dort zu finden.

Weltweit gibt es rund 41.179 Straßen, die nach Kalenderdaten benannt sind. Davon sind 7100 mit Jahresangaben im Namen. Mehr als die Hälfte dieser Straßen befindet sich in Europa. Obwohl Frankreich die meisten Datumsstraßen hat, tragen die meisten Straßen mit Datum spanische Namen.


Good to know

Die englische Sprache bei der Anzahl der Datumsstraßen liegt auf Platz 9. Die meisten dieser Straßen befinden sich außerhalb des Vereinigten Königreichs, der USA, Kanadas, Australiens und Neuseelands.


Quellen:

Berlin: Open Street Map, berlin.de, Kauperts

Deutschland: Open Street Map, strassen-in-deutschland.de, Die Zeit

Änderungen der Straßennamen im Berliner Osten: Azaryahu, M. „Street Names and Political Identity: The Case of East Berlin“ in Journal of Contemporary History Vol. 21, No. 4 (1986), S. 581–604; Verheyen, D. „What’s in a Name? Street Name Politics and Urban Identity in Berlin“ in German Politics & Society Vol. 15, No. 3 (1997), S. 44–72.

Um die Welt: Strötgen, J., Andrade, R., Gupta, D. „Putting Dates on the Map: Harvesting and Analyzing Street Names with Date Mentions and their Explanations“ (2018), Max Planck Institute for Informatics. In dieser Studie wurden automatisierte Systeme verwendet, die eine Genauigkeit von 93–97 % ergeben.