Der Künstler Harald Oskar Naegeli wird 80

Harald Naegeli wurde als "Der Sprayer von Zürich" bekannt und musste wegen seiner Kunstwerke an Häuserfassaden auch schon ins Gefängnis gehen. Jetzt wird der Künstler 80 Jahre alt - und sprayt immer noch.

Zürich-Im Jahre 1978 begannen die glatten Fassaden der Zürcher Innenstadt sich zu beleben. Merkwürdige, langgestreckte Gestalten verbreiteten sich. Da hatte jemand der Idee der Leere den Krieg erklärt. Ornament war kein Verbrechen mehr, sondern unbedingt nötig. Also doch ein Verbrechen. Mindestens aber „Sachbeschädigung“. Der Moderne, deren ganzer Stolz die Schmucklosigkeit war, wurden Muster aufgemalt – gegen den Willen der Eigentümer.

Harald Naegeli, der als „Sprayer von Zürich“ berühmt wurde.&nbsp; <br>
Harald Naegeli, der als „Sprayer von Zürich“ berühmt wurde.
dpa/Federico Gambarini

Nach dem Täter wurde gefahndet. Dass es ein Täter war oder eine Täterin, war klar. Denn aller Zierrat hatte dieselbe Handschrift. Da war einer auf einem Feldzug. „Gegen das Bauhaus“ liegt mir auf den Lippen. Jedenfalls gegen die Idee, dass die Form der Funktion zu folgen habe, dass Schönheit und Klarheit dasselbe seien, dass alles mit einem Blick erfasst und begriffen werden muss.

Der Sprayer von Zürich

Die Moderne wich in den 70er-Jahren der Postmoderne. Das Spielerische wurde wieder interessant. Der Reichtum der Vergangenheit wurde nicht mehr von den Fassaden geschlagen, sondern wieder herangezogen. In der Architektur, der bildenden Kunst, in der Literatur und in der Musik.

Als Harald Oskar Naegeli 1979 als der „Sprayer von Zürich“ überführt wurde – er hatte an einem seiner Tatorte seine Brille liegen gelassen –, da gab es die Empörung gegen ihn, den Verunstalter der schönen reinen Moderne, und es gab die Verteidiger der Freiheit der Kunst, die Verteidiger einer freien, auch von ihren eigenen Regeln befreiten Kunst. Naegeli floh nach Deutschland. Ihm folgte ein internationaler Haftbefehl. Er ging für sechs Monate ins Gefängnis, kehrte zurück nach Düsseldorf, wo er heute lebt – und sprayte weiter.

Wikipedia schreibt über ihn: „Sein Ziel war es, mit seinen Aktionen als ,Aufstand des unterdrückten Unbewussten’ gegen die zunehmende Uniformierung und Unbewohnbarkeit der Stadt zu demonstrieren, da er Zürich als eine spießige, sauberkeitsfanatische Stadt empfand, die den Bewohnern mit ihrer grauen und überbetonierten Architektur den Lebensraum zu nehmen drohte.“

Restaurierte Strichmännchen

2004 restaurierte die Stadt Zürich eines der wenigen erhaltenen Strichmännchen seiner frühen Sprayer-Jahre. Es dauerte ein paar Jahrzehnte, bis auch die Stadtverwaltung in der Lage war zu begreifen, welchen Schatz ihr Harald Naegeli geschenkt hatte. Kurz vor seinem Geburtstag erklärte Naegeli, er wolle Düsseldorf verlassen und wieder zurück nach Zürich: „Meine Lebenszeit und meine Zeit hier ist abgelaufen … Ich will wieder zurück an meinen Ursprung.“

Vielleicht spielt eine Rolle dabei, dass ausgerechnet die Nordrhein-westfälische Akademie der Wissenschaften und der Künste ihn vergangenes Jahr wegen Sachbeschädigung anzeigte. Im April kam das Urteil: Naegeli muss den „Schaden“ ersetzen. Aber er erhält keine Strafe.