Für eingeschworene Filmsammler ist es geradezu ein Muss, das Œuvre von Federico Fellini im häuslichen Regal zu vereinen. Das ist nicht schwer, denn die meisten Filme des Meisters sind auch hierzulande auf DVD erschienen. Nur ein paar vermeintliche Nebenwerke wie „Die Clowns“ (1970) und „Orchesterprobe“ (1979) nicht, die sich aber aus Großbritannien oder den USA leicht beschaffen lassen.
Die wohl gravierendste Fehlstelle ist „Fellinis Schiff der Träume“, jene hellsichtige Parabel von 1983, in der der Regisseur den Zusammenprall sozialer Welten auf einem Ozeandampfer vor Beginn des Ersten Weltkrieges skizziert und die Verwerfungen des 20. Jahrhunderts zu einem filmischen Kosmos von unbeschreiblicher Schönheit und Grausamkeit verdichtet. Leider floppte jenes Traumschiff in der damaligen Bundesrepublik gnadenlos; für die DDR-Kinos wurde es gleich gar nicht eingekauft. Allerdings erschien das Szenarium in der legendären schwarzen Spektrum-Reihe des Ost-Berliner Verlages Volk und Welt. Als DVD ist „Fellinis Schiff der Träume“ in der amerikanischen Criterion Collection zu haben, es lohnt sich!
Das Drehbuch schrieb Fellini zusammen mit Michelangelo Antonioni
Neu auf dem deutschen Markt erschien vor kurzem die restaurierte und digitalisierte Fassung von „Der weiße Scheich“, Fellinis erstem eigenständigen Film, nach einem Drehbuch, das er gemeinsam mit seinem Kollegen Michelangelo Antonioni geschrieben hatte. Die Hauptfiguren sind ein frisch verheiratetes junges Paar, Ivan und Wanda, die nach Rom reisen, um an einer von Ivans Onkel arrangierten Privataudienz beim Papst teilzunehmen. Als Wanda plötzlich aus dem Hotel verschwunden ist, weil sie unbedingt ihr Idol, einen Darsteller aus Fotoromanen (Alberto Sordi), treffen will, gerät die bürgerliche Ordnung aus den Fugen.
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Fellinis Erstling vereint bereits zahlreiche Motive, die in späteren Arbeiten wiederkehren: das zwischen Satire und Traurigkeit changierende Wechselspiel von Schein und Sein, die Symbiose von Tag und Traum, die Verfilzung von Kunst und Kitsch. Wenn die Familie am Ende in geschlossener Formation über den Petersplatz rennt, blitzt schon das satirische Panoptikum von „Amarcord“ auf. Zum ersten Mal versicherte sich Fellini seines Komponisten Nino Rota, der ihm fröhliche und melancholische Motive schrieb und „den launischen Wechsel seiner geheimen Stimmungen in Töne übersetzte“ (Tullio Kezich): ein zauberischer Score.
Zu sehen ist auch Giulietta Masina, Fellinis Ehefrau. Sie hatte sich zwar die Hauptrolle erhofft, dann aber „nur“ die Nebenrolle einer zarten, mit staunenden Augen auf die Welt blickenden Prostituierten namens Cabiria erhalten. Ihr Auftritt muss Fellini so stark begeistert haben, dass er ihr und ihrer Figur fünf Jahre später gleich einen ganz Film widmete: „Die Nächte der Cabiria“.
Der weiße Scheich – Italien 1952, Regie: Federico Fellini, 87 Minuten. Ab 11,79 Euro (Bluray)