Deutsches Theater Berlin: "Es sind lange Wege"

Auf dem Flur vor dem Intendantenbüro ist ein Fotograf der Brigitte beschäftigt: Schauspielerinnen des Deutschen Theaters stehen für die neue Herbstkollektion Modell. Im Nebenraum sind dänische Theatermacher zu Gast. Das Deutsche Theater (DT) ist vielfach gefragt, und Ulrich Khuon (61), seit 2009 Intendant am DT, sagt: „Alles an diesem Haus steht unter dauernder Beobachtung.“ Das war in Hamburg, wo er zuvor das Thalia Theater leitete, noch anders. Das wusste er vor seinem Wechsel nach Berlin, aber wo sieht er das DT heute? Ein Gespräch über eines der ersten Theaterhäuser der Republik, die Stadt und die Diskussion um Rassismus auf der Bühne.

Herr Khuon, verlängern Sie Ihren Intendantenvertrag ?

Wir sind in guten Gesprächen.

Wann fällt denn die Entscheidung?

Noch vor dem Sommer. Meine Positionen sind klar, die haben sich auch nicht verändert: Die neuen Probebühnen müssen gebaut werden, die Autorentheatertage und das Junge DT erhalten werden. Ich will hier eine Bemühungszusage.

Das reicht Ihnen? Keine verbindlichen Zusagen?

Meine Erfahrungen mit der Kulturpolitik in Berlin sind gut. Ich bin keiner, der ultimative Forderungen stellt. Es gibt auch keinen Stress in den Gesprächen.

Auch mit Blick auf den schon mehrfach verzögerten Bau der Probebühne?

Es gibt ja schon eine erste Probebühne, und dann wurden im letzten Sommer viele Baumaßnahmen in Berlin verschoben – das war keine gute Erfahrung. Aber die Planungen laufen weiter. Ich gehe davon aus, dass die Räume 2014 fertig sind.

Zuletzt hat sich allerdings gezeigt: Man muss Krawall machen, um sich in der Berliner Kulturpolitik durchzusetzen.

Die Medien haben einen großen Einfluss auf die Politik. Das kann man als Krawallmacherei bezeichnen. Ich sehe es als meine Aufgabe, dass es nicht so weit kommt.

Danke. Sie sind jetzt fast drei Jahre Intendant am DT. Sind Sie mit Ihrem Theater in der Stadt angekommen?

Ja. Andererseits ist das Ankommen kein abschließbarer Vorgang. Thematisch sind wir wesentlich weitergekommen, auch das Ensemble ist stärker zusammengewachsen. Aber es gehen eben nicht alle Dinge auf. Vielleicht hat es bislang einfach zu wenig Herausragendes gegeben.

Ist das Ensemble eine Einheit? Es gilt ja als eines der kompliziertesten in der gesamten Republik.

Ich glaube nicht, dass man Ensembles als harmonisches Ganzes denken kann. Es geht eher um eine widerspruchsvolle Einheit. Immer wieder gelingt in einzelnen Produktionen eine größere gemeinsame Energie. Das ist schon viel in einer Stadt, wo der öffentliche Druck enorm ist. Alles, was an diesem Haus geschieht, steht ja unter dauernder Beobachtung.

Spüren Sie diesen Druck?

Es steht alles unter einem bestimmten, eher skeptischen Vorzeichen: Man erkennt zwar die Qualitäten von Arbeiten, aber glaubt auch zu wissen, dass da noch mehr gehen könnte. Das ist wie der Blick auf den FC Bayern München: Man ist schneller enttäuscht, wenn der ganz große Wurf nicht gelingt. Ich denke auch, dass zwei, drei Mal pro Saison auf der großen Bühne wegweisende Inszenierungen entstehen sollten. Es sind lange Wege, die da zu gehen sind.

Große Treue zu einmal getroffenen Entscheidungen zeichnet Ihre Intendanz überhaupt aus.

Ja, das Deutsche Theater ist ein zartes Gespinst aus sehr verschiedenen Handschriften. Ich glaube auch nicht, dass sie erschöpft sind. Denken Sie an die Arbeiten von Tom Kühnel und Jürgen Kuttner, an Dimiter Gotscheff und Stephan Kimmig oder an Michael Thalheimers Inszenierung von Dea Lohers „Unschuld“. Auch die starke Verbindung zu Andreas Kriegenburg bleibt für mich wichtig. Auf der anderen Seite gilt es, neue Begegnungen zu schaffen, etwa mit Jette Steckel, Stefan Pucher, Roger Vontobel oder Tilman Köhler.

Gerade um „Unschuld“ gibt es Diskussionen, weil in ihr zwei weiße Schauspieler mit schwarz geschminkten Gesichtern auftreten. Bühnenwatch, eine Plattform, die rassistische Praktiken an deutschen Bühnen beenden will, wirft dem DT genau das vor: mit diesem Blackfacing eine rassistische Praktik zu verwenden. Waren Sie davon überrascht?

Ja, weil sich die Blackfacing-Debatte ausschließlich auf dieses eine Mittel fokussiert.

Aber Sie haben reagiert: Statt schwarz geschminkter Gesichter gibt es nun weiß geschminkte. Ist das DT eingeknickt?

Nein, wir haben auch die Freiheit der Kunst nicht infrage gestellt. Wir könnten durchaus auf das Schwarzschminken bestehen. Ich meine aber, dass man nicht auf jeder ästhetischen Rechtsposition beharren muss, wenn man merkt, welche Verletzung es für eine Minderheit darstellt.

Damit kommt man aber nicht weit.

Mich hat an dieser Debatte enttäuscht, dass sie zu wenig inhaltlich geführt wurde. Wir wollten mit diesem Stück den Umgang mit und die Diskriminierung von Fremden thematisieren. Die Vertreter von Bühnenwatch interessierten sich zu wenig für ein Gespräch jenseits dieses einen Mittels.

Ist dieses ästhetische Mittel denn rassistisch?

Für mich nicht. Aber ich gehöre auch zur weißen Mehrheit. Und ich finde schon, dass die Ensembles sich verändern müssen. Das Theater sollte sich auch hier bemühen, die Heterogenität der Gesellschaft einzufangen. Wir versuchen das.

Das Gespräch führte Dirk Pilz.