München-„Tatort“: Die Stadt und die Angst

Nervenaufreibend und realistisch wird es beim ARD-Krimi am Sonntagabend.

Berlin-„Er hat gesagt, er bringt uns alle um!“ In einem stehenden Bus liegen die Passagiere panisch unter den Sitzen, ein Fahrgast berichtet der Polizei hastig per Handy, dass der Fahrkarten-Kontrolleur erschossen wurde. Der jugendliche Täter flüchtet, wird aber von einem SEK-Kommando gestellt und „neutralisiert“. Nach zehn Minuten könnte der Münchener „Tatort“ beendet sein, doch die Lage bleibt weiter unklar. Denn die Polizei weiß nicht, ob der Attentäter einen Mittäter hatte. Der Bruder, eine Freundin und ein Kumpel geraten unter Verdacht – doch alle stellen sich der Polizei.

Im Einsatz: Ivo Batic (Miroslav Nemec) und Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl).
Im Einsatz: Ivo Batic (Miroslav Nemec) und Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl).Hagen Keller/BR

Das Szenario wirkt sehr realistisch: Autor Holger Joos rekonstruiert eine Extremsituation, in der auf die Polizeiführung ständig neue Informationen einprasseln, in der ständig neu überlegt werden muss, wie stark in das Alltagsleben einer Stadt wie München eingegriffen werden muss. Die Chefin (Corinna Kirchhoff) lässt sogar den Nahverkehr lahmlegen. Jede Entscheidung befeuert die Medien, von den Live-Schaltungen des Bayerischen Rundfunks bis zu Gerüchten in den sozialen Medien. Auffällig bleibt der Kontrast: Hier eine technisch hochgerüstete Polizei – auf der anderen Seite ihre Hilflosigkeit gegen Täter, die überall zuschlagen könnten.

Anzeige | Zum Weiterlesen scrollen

Die Regisseurin Pia Strietmann hat für diese Dramatik die passenden Mittel gefunden: Das Tempo bleibt hoch, die fließende Montage verbindet sehr organisch die wechselnden Schauplätze und erzeugt einen regelrechten Sog.

Die erfahrenen Kommissare Leitmayr (Udo Wachtveitl) und Batic (Miroslav Nemec) bewahren die Ruhe, gönnen sich sogar Momente, um die Situation zu reflektieren, und geleiten den Zuschauer, der nie mehr weiß als sie, durch das Tohuwabohu dieses Tages. Mag sein, dass solch ein Film automatisch die Ängste vor einem Amoklauf noch schürt – doch wichtiger erscheint, dass er um Verständnis für die extrem schwierigen Entscheidungen der Behörden wirbt und davor warnt, selbst noch Gerüchte im Netz zu verbreiten.

Tatort: Unklare Lage 
So, 26.1., 20.15, ARD