Die Stimme Brasiliens: Zum Tod der Sängerin Gal Costa

Sie war Muse, Gesicht und Stimme der „Tropicalismo“-Bewegung.

Gal Costa (1945-2022)
Gal Costa (1945-2022)Imago

Erst im Juli war sie auf der Sommerterrasse vor dem Haus der Kulturen der Welt aufgetreten. Und wer nicht ergriffen war von der Energie und der musikalischen Anmut, die Gal Costa und ihre Musik noch immer verströmten, der sollte dringend seinen Schönheitssinn hinterfragen oder seinen Puls checken. Jetzt ist sie tot, mit 77 Jahren gestorben nach einer Operation ihrer Atemwege in São Paulo, wie aus Brasilien vermeldet wird.

Sie stammte aus Bahia und war nicht nur in ihrer Heimat schon zu Lebzeiten Legende, „eine unserer wichtigsten Künstlerinnen, die den Namen und die Klänge Brasiliens in die ganze Welt getragen hat“, wie der gewählte brasilianische Präsident Lula schrieb und dabei nicht übertrieb.

1968 kaperte sie die Bühne, als sie zusammen mit ihren Freunden Caetano Veloso und Gilberto Gil das erfanden, was als „Tropicalismo“ zum Genrebegriff wurde. Zu oll, zu wenig politisch, zu wenig schwarz war der Bossa Nova, die bis dahin bestimmende Jugendkultur. Jetzt kamen elektrische Gitarren ins Spiel, es kamen Drogen ins Spiel, politische Renitenz und Groove.

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Gal Costa war das schöne Gesicht der Bewegung – und der erste echte brasilianische Rockstar. Sie mischte Bossa, Funk und Psychedelic Rock mit dem schwarzen und auch dem indianischen Erbe Brasiliens zu einem Amalgam von fast erdenferner Schönheit und Melancholie. Wer sich fragt, wie wohl der Pop klingen und sein mag in einer anderen, besseren Welt – Songs wie „Que Pena“, „Barato Total“, „Divino, Maravilhoso“ oder Gal Costas Version von „Aquarela do Brasil“, der heimlichen Nationalhymne, kommen vermutlich nahe dahin.

Hienieden wird sie umso mehr fehlen. Es ist ein Jammer.