Eigentum: Wem gehört das Volk?

Heute geht es um Eigentumsverhältnisse. Damit Sie Bescheid wissen: Schnee gehört niemandem. Solange er vom Himmel schwebt. Liegt er vor Ihrer Tür auf dem Gehweg, sind Sie verantwortlich. Dann gehört er plötzlich Ihnen. Ist klar. Ist aber auch eigenartig. Oder noch verrückter: In Ihrem Garten liegt Schnee. Ein Nachbarkind kommt und baut einen Schneemann. Dann ist das Kind Besitzer des Schnees vom Schneemann. Der drumherum ist Ihrer. Behaupten jedenfalls Juristen.

Oder der Mond. Da gibt es einen Amerikaner, der verkauft seit Jahren Grundstücke auf dem Mond. Hat sich das im Grundbuch von San Francisco bestätigen lassen und angeblich schon mehr als zwei Millionen Grundstücke verkauft. Supersache, interessantes Angebot. Muss ja auch niemand hin Schnee schippen, falls mal nötig. Aber gehört ihm der Mond wirklich? Oder das Wort. Wem gehört ein Wort oder ein Satz, ein Fluch oder ein Freudenschrei? Dem, der was sagt? Dem, der es hört?

Beispiel: Oktober 1989, Leipzig. Da rufen die Friedensdemonstranten plötzlich: „Wir sind das Volk!“ Und der Günter Schabowsky von der SED ist so verdattert, dass er versehentlich die Mauer aufmacht. Peng, DDR im Eimer. Dann nimmt sich das Volk den Satz und baut ihn leicht um. „Das“ weg, „ein“ rein. Dresden, Dezember 1989, vor der Frauenkirchenruine, alle rufen: „Wir sind ein Volk.“ Peng, Kohl gerührt, 1990 Wiedervereinigung. Ein Supersatz. Die Macht des Wortes. Die Mauer ist weg, aus zwei eins gemacht, dann ist der Satz verhallt. Damals gehörte er den Friedensdemonstranten. Und heute?

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Jeder darf wieder ein Plakat basteln

Heute allen. Und nicht mehr zwei „Reichsbürgern“ aus Schleswig-Holstein, die ihn zwischenzeitlich auch einmal besaßen. Kleiner Exkurs Reichbürger: Uhr im Kopf 1945 stehen geblieben. Keine Bundesrepublik, keine bundesdeutschen Gesetze und so. Basteln sich eigene Ausweise und Führerscheine, landen häufiger vor Gericht, gehen allen auf die Nerven.

Nun hat das Deutsche Patent- und Markenamt in München den Anspruch der beiden Herrschaften aus dem Norden gelöscht. Die Stadt Leipzig hatte das beantragt. Bereits im November 2013 war die Entscheidung gefallen, dieser Tage endete die Einspruchsfrist. Angelegenheit erledigt. Das Patentamt hatte lange nachgedacht und bemerkt: Der Satz gehöre untrennbar zur neueren deutschen Geschichte, es bestehe also für niemanden ein Anspruch, ihn wirtschaftlich auszubeuten. Jetzt darf jeder wieder ein Plakat basteln: „Wir sind das Volk!“

Wobei die Frage ungeklärt bleibt, wem so ein Volk gehört. Vielleicht sollte man mal beim Patentamt anrufen. Oder in San Francisco.