Ein analytischer Geist – zum Tod des Journalisten Daniel Haufler

Zwischen 2008 und 2017 war Daniel Haufler Redakteur der Meinungsseite der Berliner Zeitung. Nun ist er im Alter von nur 61 Jahren in Washington gestorben.

Daniel Haufler (1961–2023)
Daniel Haufler (1961–2023)Hans Richard Edinger

Die Frühlingssonne versank langsam im Gartenbereich des Cafés Einstein in der Kurfürstenstraße, aber wir waren noch lange nicht durch mit dem Tratsch über Kollegen, Fußball und der Analyse der Weltlage. Seit knapp einem Jahr arbeitete Daniel schon als Referent in der deutschen Botschaft in Washington, seit ein paar Wochen also konnte er das diplomatische Geschehen in Zeiten eines begonnenen Krieges aus nächster Nähe beobachten. Es gab viel zu besprechen, aber diesmal war es an mir, zuzuhören. Daniel machte deutlich, dass es ein viel größeres Bild des Kriegsgeschehens in der Ukraine gab – eines, das die tagesaktuellen Debatten nicht annähernd abbildeten. Und dann wechselten wir zurück zum Tratsch, das Private allenfalls streifend, wie ich jetzt bedauere. Ich hätte doch gern noch so viel mehr erfahren, Daniel. Zu spät, unser Kollege Daniel Haufler ist am Montagabend nach kurzer und schwerer Krebserkrankung im Alter von nur 61 Jahren in Washington D.C. gestorben.

„Wir machen die Meinung“

Kennengelernt habe ich Daniel Haufler Ende der 90er-Jahre, als unsere Wege sich buchstäblich kreuzten. Er kam als Redakteur zur Tageszeitung taz, als ich diese gerade verließ. Keine Basis für eine haltbare Freundschaft eigentlich, die dann doch über kontinuierliche Begegnungen wuchs. Zum gemeinsamen Arbeiten kamen wir erst 2010, Daniel war Redakteur der Meinungsseite der Berliner Zeitung, zu der ich als Autor der Dumont-Redaktionsgemeinschaft stieß. Zwischen 2012 und 2017 haben wir beinahe täglich eng zusammengearbeitet.

„Wir machen die Meinung“, hätten wir damals wohl im Jargon des Tagesgeschäfts gesagt. Was das hieß, habe ich erst von Daniel gelernt. Mehr als das Redigieren von Kommentaren bestand das „Machen“ der Meinungsseite aus der Ideenfindung und der Suche nach den passenden Autoren für die Leitartikel, in denen die Autoren sich nach Möglichkeit dafür offenhalten sollten, sich von den eigenen Gedanken überraschen zu lassen. Daniel war ein geduldiger Textarbeiter, der seine Aufgabe darin sah, die Argumente anderer plastisch hervortreten zu lassen.

So unterschiedlich wir oft politisch über einen Gegenstand schrieben und dachten, so einig waren wir im Verständnis dessen, was einen guten von einem schlechten Text unterscheidet. Nicht selten kam Daniel mit streng-freundlichem Blick in mein Büro, um mir zu bedeuten, dass ich wohl noch einmal Hand anlege müsse an Text und Argument. Er tat das behutsam, aber unerbittlich – und meistens hatte er recht. Ein aufmerksamer Gesprächspartner war Daniel für viele in der Redaktion. Mehrere Jahre gehörte er dem für die innere Stabilität einer Zeitung so wichtigen Redaktionsausschuss an. Daniel Haufler ist tot, und ich hätte ihm so gern noch gesagt, dass die Jahre der engen Zusammenarbeit mit ihm zu den glücklichsten meiner journalistischen Laufbahn gehörten.

Ein leidenschaftlicher Amerikaner

Daniel war ein Ausdauer-Mann, regelmäßig trat er zum Berliner Halbmarathon an, was man seiner souveränen Aufmerksamkeit stets anmerkte. 1961 in Mainz geboren, hat Daniel Germanistik, Geschichte und Staatsrecht in München und Berlin studiert. Spätestens nach einem Aufenthalt als Media Fellow an der Duke University in Durham/North Carolina wurden die Geschichte und Politik der USA auch beruflich zu seiner Leidenschaft. Zusammen mit Olivia Schoeller (heute Nikel) und Damir Fras schrieb er während des US-Wahlkampfes, der 2012 zu Barack Obamas zweiter Amtszeit führte, einen aktuellen Internet-Blog, der schließlich in die Buchveröffentlichung „Ihr Auftrag, Mr. President“ (Campus Verlag) mündete. Analysen, Abschweifungen, das viel größere Bild. Daniels Begabung bestand darin, die Ereignisse des politischen Tagesgeschehens präzise mit geschichtlichem und soziologischem Kontext abzugleichen.

Eine, der das in freundschaftlicher Verbundenheit zugutekam, ist Daniels spätere taz-Kollegin Ulrike Hermann, die beiden kannten sich seit ihrer gemeinsamen Zeit an der Uni. Ulrike Hermann vertraute Daniels sicherem Gespür für Gedankenführung und Textdramaturgie, stets war er der erste Leser und Ratgeber hinsichtlich ihrer überaus erfolgreichen Sachbücher zu Politik und Ökonomie. Ach Daniel, Du fehlst. Nicht nur ihr.