„Ein Schotte macht noch keinen Sommer“: Ruhe bewahren und die Fassung verlieren
Der 75. Geburtstag des Familienpatriarchen Gordie McLeod steht an, eine opulente Festivität ist geplant, Doug und Abi packen ihre drei Kinder Lotte, Micky und Jessie ins Auto, und auf geht’s nach Schottland. Dort befindet sich der Stammsitz der Sippe; ein Herrenhaus, das Dougs geltungssüchtiger Bruder Gavin mit dem neuesten technischen Equipment aufgemotzt hat, während seine Frau wechseljahresbedingte hysterische Anfälle erleidet und sein Sohn ungelenk auf der Geige gegen die Pubertät anfidelt.
Nicht dass Doug und Abi, die in London leben, da besser dran wären; ihre Ehe steht seit einem Seitensprung auf dem Prüfstand, die Anwälte sind bereits eingeschaltet. Ein Umstand, von dem der Großvater nichts wissen darf, ist der doch schwer krebskrank und soll sich nicht aufregen. Weswegen Doug und Abi ihre Kinder zum Schweigen respektive Lügen verpflichten, sollte die Rede auf die familiäre Harmonie Glück kommen. Was nichts bringt, weil naturgemäß dann eh alles ans Licht kommt und durchgearbeitet werden muss.
Was in „Ein Schotte macht noch keinen Sommer“ wie am Schnürchen abläuft, ist das übliche Prozedere in diesem Genre: Das Dysfunktionale wird mit einem Katalysator zur Eskalation gebracht, es folgt die kathartische Befriedung. Friedefreudeeierkuchen mit Lerneffekt folgt auf groteske Turbulenzen der etwas anderen Art. Im vorliegenden Fall gilt dies doppelt und dreifach, denn was die etwa zehn-, acht- und sechsjährigen Lotte, Micky und Jessie – die sich plötzlich vor ein wirklich schweres Problem gestellt sehen und sodann von den zankenden Erwachsenen im Stich gelassen finden – sich zu dessen Lösung einfallen lassen, sprengt in seiner Endgültigkeit erst einmal jeden Rahmen und jede Vorstellung.
Rasant, bissig, zugespitzt
„Where are the grown-ups?“, fragt eines der drei zwischendurch und trifft den Nagel auf den Kopf. Denn die Erwachsenen blamieren sich mit unreifem Benehmen in einer Situation, in der die Kinder Haltung zeigen und zu einer großen Geste finden. Die fällt allerdings unkonventionell aus und bringt all die Täuschungsmanöver zum Einsturz, mit denen die Familienfassade aufrecht erhalten worden war. Auftritt Polizei, Jugendamt und Reportermeute. Es folgen herbe Tonlagen-, Rhythmus- und Genrewechsel.
Reichlich schwarzer britischer Humor mischt sich in „Ein Schotte macht noch keinen Sommer“ mit Witzeleien für den Hausgebrauch, das schlichte Unglaubwürdige und das grandiose Unpackbare fließen ineinander, erst geht es lakonisch, gemächlich und gutartig zu, dann wird es rasant, bissig und zugespitzt. Getragen, wenn nicht gerettet wird dieses riskante Unterfangen, das sich Andy Hamilton und Guy Jenkin – Kreativteam der populären britischen TV-Serie „Outnumbered“ – ausgedacht und inszeniert haben, von Emilia Jones, Bobby Smalldridge und Harriet Turnbull als Lotte, Micky und Jessie.
Ein Schotte macht noch keinen Sommer (What We Did On Our Holiday) GB 2014. Regie, Drehbuch: Andy Hamilton, Guy
Jenkin, Kamera: Martin Hawkins, Musik: Alex Heffes, Darsteller: Rosamunde Pike, David Tennant, Billy Connolly u.a., 95 Minuten, Farbe, FSK ab 6.