Eltern im Kino: Schlimm, so ein Leben

Christine arbeitet als Anästhesistin in einer Klinik, und ihr Weg führt geradewegs in Richtung Oberärztin. Das liegt gar nicht mal daran, dass diese sympathische Frau so rasend ehrgeizig wäre. Nein, sie ist einfach nur eine sehr gute Medizinerin, sogar eine mit Herz für die Patienten, weswegen sie oft früher zum Dienst erscheint und später nach Hause geht.

Dort warten zwei Töchter und ein Ehemann, der ein ganz toller Vater ist und quasi Hausmann. Konrad kocht und wäscht, fährt die Kinder herum, bespielt sie und weiß, womit sie im Notfall zu trösten sind. Ein Traumtyp! Doch die Kinder sind jetzt aus dem Gröbsten heraus; Käthe ist mit ihren zehn Jahren sogar erwachsener, als es ihr Alter verrät, wird aber von den Eltern natürlich wie ein Kind behandelt. Ein kleiner Konflikt, der noch zu großer Form auflaufen wird. Emmi geht noch lange nicht zur Schule, ist aber schon recht selbstständig – und vor allem lebhaft.

Robert Thalheim fand zauberhafte Kinder

Es sind ganz zauberhafte Kinder, die der unzweifelhaft mit großer Sensibilität begabte Regisseur Robert Thalheim (u. a. „Am Ende kommen Touristen“, „Westwind“) für seinen neuen Film „Eltern“ gefunden hat. Parashiva Dragus als Käthe und Emilia Pieske als Emmi stehlen ihren Filmeltern Christiane Paul und Charly Hübner, die auch nicht übel agieren, durchaus die Show. Aber so was von! Diese beiden Kinder dabei zu beobachten, wie sie mal ein stummes Brodeln im Innern oder auch laute, radikale Stimmungswechsel erzeugen, ist schlicht atemberaubend.

Was man von diesem Film als Ganzem aber gar nicht verlangt. Es geht hier um die Rollenverteilung in der Familie und darum, wie schwer es ist, aus einer angenommenen oder einem auch nur zugeschriebenen Rolle wieder herauszufinden. Jeder, der es je versucht hat, weiß das. Konrad etwa möchte wieder als Theaterregisseur arbeiten, er bekommt sogar eine Chance nach all den Jahren und will Hebbels „Nibelungen“ inszenieren.

Haushalt und Familie soll ein Au-pair-Mädchen am Laufen halten, aber die hübsche Argentinierin verhält sich seltsam reserviert. Und dann stellt sich heraus, dass sie schwanger anreiste. Nun muss sie sich dauernd übergeben und das Bett hüten. Was tun? Abschieben will das Elternpaar Isabel nicht, schließlich ist es verantwortungsbewusst und verständnisvoll. Käthe will aber auch nicht dauernd ihrer Schwester Hüterin sein. Sie sei nicht das Au-pair, schreit sie ihre Mutter an, die geradezu flüchtet in ihre Klinik. Daraufhin zieht Konrad erst mal ins Theater.

Was jetzt geschrieben wird, mag nicht gerecht sein, drängte sich aber leider auf beim Sehen: Warum, verdammt noch mal, nimmt sich dieses recht gut situierte und intelligente Elternpaar nicht einfach eine Haushaltshilfe?! Das fragt man sich als Zuschauer.

Aber nein, darauf kommen Christine und Konrad nicht. Und so schaut man diesen nicht so sehr erheblichen Mittelschichtsproblemen in geräumiger Kreuzberger Altbauwohnung recht ungerührt zu. Alles sieht so schön aus. Alles ist so gut gespielt. Und die Dialoge sind so pointiert. Doch das eigentliche Drama erlebt Isabel.

Eltern Dtl. 2013. Regie: Robert Thalheim, Drehbuch: Jane Ainscough, Robert Thalheim, Kamera: Henner Besuch, Darsteller: Charly Hübner, Christiane Paul, Parashiva Dragus, Emilia Pieske, Clara Lago u. a.; 100 Minuten, Farbe.