Englischer Schüler darf nicht in kurzer Hose in die Schule - aber im Rock
Die Geschichte von Dylon aus Stockport rührt uns zu Tränen. Seine Schule akzeptiert Crossdressing, will aber die Länge der Hosenbeine kontrollieren.

Ha, jetzt können wir noch vor der nächsten Hitzewelle eine kleine, alljährlich fällige Geschichte über die himmelschreiende gesellschaftliche Ungerechtigkeit in die Welt rufen. Wir leben in Zeiten, in denen es Männern, wenn sie ihr Gesicht nicht verlieren wollen, verboten ist, mit kurzen Hosen auf ihrer Arbeitsstelle zu erscheinen. Das Verdikt ist nicht behördlich verfügt, aber der soziale Druck ist nach wie vor immens. Problematisiert wird das Ganze auf ästhetischer Ebene, was nichts anderes bedeutet, als dass wir in Deutschland ein strukturelles Bodyshaming-Problem haben.
Die Geschichte, die unseren Blick für die moralisch-politische Dimension des Stilproblems schärft, spielt aber im Vereinigten Königreich von England. Dem Bericht des Mirror nach wurde Dylon Thompsen, ein Junge in Stockport, im Ballungsraum Manchester, am Mittwoch bei einer Temperatur von 30 Grad von seiner Schule abgewiesen, weil er in Shorts erschienen war. An der Werneth School herrscht wie überall in England Uniformpflicht, kurze Hosen sind nicht vorgesehen. Man kommt den Schülern immerhin schon so weit entgegen, dass sie in den letzten beiden Wochen des Semesters keinen Blazer und keinen Pullover tragen müssen.
Dylon wurde nicht einfach abgewiesen, sondern erst dann isoliert, als er sich weigerte, eine für solche Fälle bereitgehaltene lange Schuluniformhose anzuziehen. Die Mutter, die ihn begleitete, nahm den Jungen wieder mit nach Hause. Aber zuvor hat es offenbar noch eine verbale Auseinandersetzung gegeben – oder einen spitzfindigen Austausch von Argumenten. Wenn der Junge nämlich statt der kurzen Hosen einen Rock getragen hätte, würde das die Schule akzeptieren, die einige Stück auf sich hält, weil sie einen inklusiven Ansatz verfolge und viel in die Seelsorge investiere. Die Zeitung zitiert den Schulleiter Andrew Conroy: „Wenn Dylon einen Rock tragen möchte, ist das seine persönliche Präferenz und wir würden ihn unterstützen – wie wir es zuvor mit anderen Schülern getan haben.“
An dieser Stelle wird der pädagogische Konflikt scharf: Die Bekleidungsordnung einerseits, die den Schülern das Gefühl der Zugehörigkeit und Gemeinschaft vermitteln und sie von dem Markenklamottendruck entlasten soll, und andererseits die Bekleidung als Ausdrucksform der in der Pubertät so wichtigen Identitätssuche, verbunden mit den derzeit viel diskutierten Genderfragen. Gut, dass dieser Widerspruch sich hier lösen lässt und sich beide Bedürfnisse erfüllen lassen: Denn ad absurdum geführt wird nicht der Wunsch, einen Rock zu tragen, sondern das Stildiktat der langbeinigen Hose.