"Fack ju Göhte 2" : Herr Müller ist kein Vorbildness

Über „Fack Ju Göhte“ muss man hierzulande kaum jemanden aufklären. Mehr als 7,3 Millionen Zuschauer sahen die Komödie, die im Herbst 2013 in die Kinos kam und sich quasi als Selbstläufer entpuppte. Nun war es keinesfalls so, dass man dem Drehbuchautor und Regisseur Bora Dagtekin keinen Erfolg zugetraut hätte; immerhin verhalf der Mann, Jahrgang 1978, als Autor schon der Fernsehserie „Türkisch für Anfänger“ und – hier auch als Spielleiter – dem gleichnamigen Kinofilm zur Popularität. Aber ein derartiger Kassenhit! Mehr als sieben Millionen Zuschauer – das kriegt sonst nur Til Schweiger hin.

In der Deutung der Kritiker erfüllte der Kinospaß sogar einen höheren Zweck: Mit „Fack Ju Göhte“ wurde die gute alte Pauker-Komödie wiederbelebt. Nicht, dass sie vermisst worden wäre. Aber ihre Wiederkehr wurde doch erfreut zur Kenntnis genommen. Elyas M’Barek sah auch einfach zu gut aus in der Rolle des Ex-Knackis Zeki Müller, der sich als Aushilfslehrer an der Goethe-Gesamtschule einschleicht, um die Beute aus einem Raubzug wiederzuerlangen. Die lag nämlich unter der Turnhalle des Bildungsprobleminstituts vergraben.

So weit, so gut. Klar war, dass eine Idee, die Millionen Menschen erfreut und Millionen Euro einbringt, nicht nur einmal verwertet wird. Und so kehrt der pöbelnde Pädagoge nun in „Fack Ju Göhte 2“ zurück. Wobei auch eine dritte Filmfortsetzung möglich ist – das suggeriert jedenfalls die übersichtliche Handlung von Teil 2, in der natürlich wieder die Horrorklasse 10 B auftritt, inklusive Deutschlands Lieblingshohlbirne („Heul leiser, Chantal!“). Dicker blauer Lidschatten und Lippenstift in fettem Pink – so kennt man Chantal, der Herr Müller im ersten „Göhte“-Film aus strategischen Gründen eingeredet hat, sie sei hochbegabt.

Vielleicht ist Chantal das ja auf ihre Art: Immerhin kann sie auf Anhieb mit ihrer „Mumu“ beziehungsweise „Muschi“ einen Tennisball auffangen, was sie in einer der Pingpong-Bars von Bangkok vorführt. Hierhin geht die Reise für die 10 B – auf „internationale Klassenfahrt“, denn die ehrgeizige Direktorin Gerster (Katja Riemann) will mit ihrer Goethe-Gesamtschule unbedingt eine Bildungskampagne gewinnen und muss zu diesem Behuf das Schiller-Gymnasium ausbooten. Diese Vorzeige-Schule pflegt die Patenschaft mit einer Dorfschule in Thailand, die seinerzeit vom Tsunami überrollt wurde. Daher also erst Bangkok, dann das übrigens wunderschön gelegene Dorf. Die korrekte Referendarin Schnabelstedt (Karoline Herfurth) darf allerdings nicht mitreisen, hat ihr doch irgendein humorvoller Schüler eine Trinkflasche in Granatenform ins Handgepäck getan. Herr Müller muss also sehen, wie er allein klar kommt mit den Rangen – und das auch noch in Asien, inmitten obdachloser Waisenkinder und bösartiger Affen.

Will mehr als Paukerklamotte sein

Unverkennbar will „Fack Ju Göhte 2“ nicht mehr einfach nur eine Paukerklamotte sein, sondern mit Menschen, Tieren, Sensationen auftrumpfen – mit exotischen Schauplätzen und traurigen Schicksalen. Zudem wird ausgiebig die Kluft bemüht zwischen Menschen aus sogenannten bildungsfernen Verhältnissen und sogenannten Bildungs- sowie Leistungsträgern, die sich indes schnell als Unholde entpuppen können.

Bemerkenswert ist, dass sich quasi halb Deutschland zwar köstlich über Filmfiguren wie Chantal amüsiert, jedoch durchaus mit deren Lernnotstand sympathisiert: Dieses (O-Ton Supermarkt) „herrlich unverbildete Mädchen“! Und Jella Haase ist ja auch eine Wucht als nölende Sprachschöpferin wider Willen („Herr Müller, Sie sind kein Vorbildness!“). Nun wird Chantal aber auch als ungeliebte Tochter einer Alkoholikerin definiert – in „Fack ju Göhte 2“ koaliert Geistverachtung mit Betroffenheitsnötigung; Ressentiments werden bestärkt. Da die verwöhnte, hippe, vielleicht gar (igitt) intellektuelle obere Mittelschicht – hier die etwas schlichten, aber doch geradlinigen Leute. Derart schematisch funktionieren solche Art Komödien nun einmal. Wer feineren Humor liebt, muss ja nicht ins Kino gehen.

Nichts und niemand wird ausgelassen, weder Dritte Welt noch Migranten oder Behinderte. Das geht etwa so: „Nehmt Etienne mit nach Thailand; der hat elf Prozent Asperger“, so Direktorin Gerster, die politbewusst mit Inklusion punkten will. Inmitten all der fix getimten politischen Unkorrektheit herrscht Zeki, dem unerwartet die Rolle des Vermittlers zuwächst und der seinen Job zu lieben beginnt, obwohl er kündigen wollte – immer das frühe Aufstehen! Dass ihm, dem Underdog, diese Kids aus prekären Verhältnissen ans Herz wachsen, weil er ihnen ein besseres Leben wünscht, wirkt sogar glaubhaft. Ihr Abitur-Wollen verbuchen wir einfach mal als Fantasy-Element. Letztlich steckt via Kassiber sogar Goethes „Faust“ in dieser Komödie: Herr Müller war ein Teil von jener Kraft, die stets das Böse will – und stets das Gute schafft.