Film über die Berliner Fotoagentur: Wie die Ostkreuz-Fotografen arbeiten

Ostkreuz, dieses reale und realitätsverhaftete Wende-Phänomen ist soeben ein Vierteljahrhundert alt geworden – und zur Geburtstagsfete im C/O, Amerika Haus, flimmert der Film „Ostkreuz“ über die Leinwand. Sozusagen als Ständchen, das der 31-jährige, aus Potsdam stammende Filmemacher Maik Reichert den 19 Fotografen – und der nicht mehr lebenden Mitbegründerin dieser bereits legendären, nach Magnum-Vorbild arbeitenden Foto-Agentur – der unersetzlichen Sibylle Bergemann – bringt. Wenn man sich trifft, um zu beraten, zu streiten, zu feiern, dann steht ihr leerer Stuhl dabei, dann fragt der eine oder andere in der Runde: „Und wie würde Sibylle das jetzt sehen, was würde sie sagen?“

Reichert beginnt seine 89-Minuten-Geschichte mit dem Fotografenpaar Ute und Werner Mahler, zwei der ehedem sieben Ostkreuz-Gründer und zusammen mit Harald Hauswald inzwischen in der Senior-rolle der deutlich verjüngten Gruppe. Waren die Gründer allesamt aus dem Osten, ist die Gruppe heute längst eine deutsch-deutsches, ja internationales Gefüge.

Es geht um Respekt, Empathie, Sensibilität

Der Filmemacher lässt die Mahlers die Namen der alten und neuen Ostkreuz-Mitglieder aufzählen und er richtet die Kamera auch auf das, was vor 1989 entstand: die Porträts und Reportagen der Mahlers, die Stillleben der Bergemann, die skurrilen Demonstations-Szenen Hauswalds und die tristen Hinterhöfe, Prenzlauer Berg. Die Ostkreuz-Weltsichten, erklären Mahler & Mahler – die zuletzt mit ihrer jüngsten, im Film vorgestellten Serie „Mona Lisen der Vorstädte“ Furore machten, seien verschieden. Die Haltung dazu aber immer eine: Es geht, noch beim prekärsten Motiv, um Respekt, Empathie, Sensibilität. Dokumentieren heißt aufzeigen, nicht entblößen. Reichert passt sich dieser Maxime an: Er dreht ruhig, so, wie die Ostkreuzler arbeiten: geduldig, genau beobachtend, subtil, mit sozialem Interesse.

Er zeigt, wie Ostkreuz-Fotografen arbeiten, bis hin zu den Jüngsten, wie sie mit Neugier und Erfahrung durch die ruppigen, öden, schmutzigen, tödlichen Niederungen des Alltags ziehen. Fototermine, bei denen die Ellenbogen ausgefahren werden müssen, um überhaupt auf den Auslöser drücken zu können, machen alles oberflächlich, so Maurice Weiss, der hohe Bundes-Politiker fotografieren musste, davon eher enttäuscht ist.

Keine Effekthascherei!

Professionalität muss sein, schließlich braucht Ostkreuz Aufträge, um bestehen zu können. Aber, da sind sich auch so junge Fotografen wie Annette Hauschild, Linn Schröder, Julian Röder einig: Keine Effekthascherei! Im Film gibt es eine Szene, wo man zusammensitzt, sich den Kopf zerbricht, wie der Anspruch bei oft enger und manchmal ziemlich mauer Auftragslage zu halten sei. Mit Engagement, auch Trotz: Die Welt im Sucher heißt conditio humana.

Ostkreuz-Fotografen, erzählt der Film, dokumentieren Alltag, hier und in fernen Ländern, auch Elend, Krieg, Not, Tod. Und manchmal können sie ein paar Schlaglichter setzen: Hoffnung, Zuversicht, Schönheit. Lachen, etwa, wenn man im Film sieht, wie die Mahlers den noch verlegen zu machenden Schauspieler Lars Eidinger mitten auf Berlins Straßen porträtieren.

Kinostart am 27. November: „Ostkreuz“ GMfilms, von Maik Reichert, D 2014, 89 Min.