Filmvorführung in Berlin: Als das Engelbecken Berlin in Ost und West teilte
Da liegt es heute unter spiegelglatter Wasseroberfläche eingefasst in roten Stein: das „Engelbecken“. Sein märchenhafter Name wird von der heimwerkerhaften Kreuzberger Parkanlage drum herum zwar etwas konterkariert, aber dieser Ort lebt nicht vom Sichtbaren allein – seine Bedeutung schlummert subkutan. Von einer der unbequemsten Schichten erzählen die beiden Film- und Theaterkünstler Gamma Bak und Steffen Reck. Es sind die letzten Jahre der Teilung von Berlin, als die Grenze direkt durch dieses Becken lief und den Platz vor der Kirche St. Michael in Ost und West trennte.
Tatsächlich existierte das Becken zu dieser Zeit gar nicht: Zugeschüttet mit Kriegsschutt lag es seit dem Mauerbau im Sperrgebiet. Der reale Ort wurde getilgt, doch sein klingender Name kursierte weiter, und dass die West-Berlinerin Bak und der Ost-Berliner Reck ihren sehr persönlichen Rückblick auf die 1980er-Jahre genau an diesem Kipport ansetzen, spiegelt schon die ganze Tiefsicht und Experimentierfreude ihres Films „Engelbecken“. Den Namen zerlegen sie in lexikalische Teile wie „Enge“, Elbe“, „Becken“ und ordnen diesen die Kapitel ihrer Erzählung zu: Das Unterdrückte öffnet sich so zum weiten Bedeutungsfeld.
Dieser künstlerische Ansatz macht den Film stark. Vieles aus dem Archiv der beiden Künstler kommt dabei zum Vorschein: Super-8-Filme aus dem Ostberlin der 1980er-Jahre, Filmmontagen und Überblendungen, in denen Gemaltes und Gefilmtes sich kreuzen, und metaphorische Szenen, die die Enge und Schizophrenie jener Zeit nicht nur behaupten, sondern sichtbar machen.
Als Liebespaar lebten die Studentin Bak und der Theaterkünstler Reck damals von einem Besuchervisum zum nächsten. Wie sehr vor allem Reck darunter litt, der als Mitbegründer der legendären Theatertruppe Zinnober ohnehin unter Stasi-Beobachtung stand, äußert er selbst gleich zu Beginn.
Ein wahres Gefühlsdokument
Von psychischen Krisen und suizidalen Momenten wird die Rede sein in dieser intensiven Selbstbefragung. Etwas zu selbstverständlich wird das individuelle Krankheitsbild dabei auch aufs ganze Land übertragen. Umgekehrt führt das aber auch jenen tiefen, lähmenden Schmerz vor, den Unangepasste wie Reck in der DDR durchlitten: Nicht leben zu können in einem Land, das sie dennoch nie verlassen wollten. Trotzdem kehrte Reck 1988 nicht zurück von einer Dienstreise in den Westen.
Ganz wie ihre Autoren entzieht sich der Film simplen Einordnungen und bewegt sich zwischen den Genres. Mit eingeblendeten DDR-Zollvermerken und IM-Berichten dokumentiert er die Geschichte eines kontrollbesessenen Staates – die persönlichen Kunstfilme stellen dagegen den komplexen inneren Kampf zweier besonderer Grenzgänger dar. Einmal blickt die Kamera aus Recks Wohnung auf die erhaben-vernarbte Häuserzeile der alten Oderberger Straße. Plötzlich flattern weiße Tauben von außen gegen das Fenster. Viel Schönes zeigt „Engelbecken“, dennoch bleibt die Sicht oft zu implizit. Besonders fehlt eine Erklärung politisch-ideologischer Gedanken. Als Gefühlsdokument aber macht „Engelbecken“ seinem Titel Ehre.
Ab Donnerstag im Brotfabrik-Kino und im Moviemento.